Änderungen für Spätaussiedler und ihre Familienangehörigen durch das Zuwanderungsgesetz

Das Zuwanderungsgesetz trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Es bringt Änderungen des Bundesvertriebenengesetzes mit sich, in deren Folge sich der Zuzug von Spätaussiedlern erheblich reduzieren wird. Kernpunkt der Änderungen ist die Abhängigkeit der Einbeziehung der Ehegatten und Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers vom Nachweis deutscher Sprachkenntnisse bei diesem Personenkreis

1. Voraussetzungen der Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers

a) Ausdrücklicher Antrag des Spätaussiedlers auf Einbeziehung seines Ehegatten und seiner Abkömmlinge
b) Der Spätaussiedlerbewerber darf zum Zeitpunkt der Einbeziehung noch nicht in die Bundesrepublik Deutschland angesiedelt sein
c) Grundkenntnisse der deutschen Sprache bei Ehegatten und Abkömmlingen
d) Deutschkenntnisse müssen im Rahmen eines Sprachtests im Herkunftsgebiet oder durch Vorlage des Zertifikats "Start Deutsch 1" des Goethe-Instituts nachgewiesen werden
e) Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigen Elternteils,
f) Einbeziehung des nichtdeutschen Ehegatten nur möglich, wenn die Ehe mit dem Spätaussiedlerbewerber seit mindestens drei Jahren besteht.

Zu a) und b)

Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers wird von der zuständigen Behörde künftig nur vorgenommen werden, wenn dies von der Bezugsperson, also dem Spätaussiedler ausdrücklich beantragt wird. Diese Regelgung ist in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG enthalten. In den Fällen in denen die gemeinsame Aussiedlung beantragt wurde, ist diesem Erfordernis genüge getan. Wenn aber Abkömmlinge einen eigenen Antrag auf Aufnahme gestellt haben, sollte der Einbeziehungsantrag vom Spätaussiedlerbewerber bedingt gestellt werden. Bisher wurde der eigene Antrag auf Aufnahme, wenn er abgelehnt wurde, von der zuständigen Behörde (BVA) in einen Antrag auf Einbeziehung umgedeutet. Das BVA nahm selbständig diesen Vorgang vor, wenn Bezugspersonen im Herkunftsgebiet noch vorhanden waren. Dies wird künftig nicht mehr geschehen, so dass der bedingt gestellte Einbeziehungsantrag besonders wichtig ist.

Zu c) und d)

Grundkenntnisse der deutschen Sprache liegen nur dann vor, wenn die deutsche Sprache in ihren Grundzügen in Wort und Schrift so beherrscht wird, dass vertraute, alltägliche Ausdrücke und einfache Sätze, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen, verstanden und verwendet werden.

Ehegatten und Abkömmlinge haben die Möglichkeit in den Herkunftsgebieten Deutsch zu lernen. Informationen darüber gibt es bei den zuständigen deutschen Auslandsvertretungen oder bei den lokalen Goethe-Instituten und Vertretungen der GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit). Außerdem bietet die Deutsche Welle kostenlose Lernkurse an, die über das Internet verfügbar sind www.dw-world.de/russian

Grundkenntnisse der deutschen Sprache können durch Vorlage des Zertifikats "Start Deutsch 1" nachgewiesen werden. Nähere Informationen über die Deutschprüfung "Start Deutsch 1" erhält man bei den Goethe-Instituten im In- und Ausland oder im Internet unter www.goethe.de .
Auf Wunsch kann der Einzubeziehende im Rahmen einer Anhörung an einer deutschen Auslandsvertretung einen Sprachtest ablegen, um Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen.
Der Sprachtest für den Ehegatten oder Abkömmling besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Er ist kostenlos. Die Kosten der Anreise und ggf. die Übernachtung am Ort der Anhörung werden nicht erstattet . Der Sprachtest ist – wie auch die Prüfung "Start Deutsch 1" - bei Nichtbestehen wiederholbar.
Bei Ehegatten, die mindestens 60 Jahre alt sind, reicht es für die Einbeziehung aus, wenn bei der Prüfung "Start Deutsch 1" zumindest 52 Punkte statt der für das Bestehen grundsätzlich erforderlichen 60 Punkte erreicht wurden. Auch bei Jugendlichen unter 16 Jahren können im Einzelfall 52 Punkte ausreichen. Jugendliche unter 16 und Ehegatten, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, sollten daher dann, wenn sie die Prüfung "Start Deutsch 1" zwar nicht bestanden, aber mindestens 52 Punkte erreicht haben, die Teilnahmebestätigung mit dem entsprechenden Punktwert übersenden. Das Bundesverwaltungsamt prüft dann, ob die Einbeziehung auf der Grundlage des abgesenkten Sprachniveaus erfolgen kann. Die auf der Grundlage des abgesenkten Sprachniveaus erfolgte Einbeziehung von Jugendlichen wird jedoch unwirksam, sofern die Aussiedlung nicht vor Vollendung des 17. Lebensjahres erfolgt.

Kinder unter 14 Jahren werden ohne Überprüfung der Deutschkenntnisse in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, sofern keine wesentlichen Integrationsprobleme zu erwarten sind. Dies setzt im Allgemeinen eine Teilnahme am schulischen Deutschunterricht oder an Deutschkursen im Aussiedlungsgebiet voraus. Entsprechende Nachweise sind vorzulegen. Allerdings wird die Einbeziehung unwirksam, wenn die Aussiedlung nicht vor Vollendung des 15. Lebensjahres des Kindes erfolgt. Nach diesem Zeitpunkt kann die Einreise des Kindes nur noch nach ausländerrechtlichen Vorschriften erfolgen, es sei denn, die erneute Erteilung eines Einbeziehungsbescheides ist auf der Grundlage eines bestandenen Sprachtests oder des vorgelegten Zertifikates möglich.

Diejenigen, für die ein Einbeziehungsantrag gestellt wurde, können selbst entscheiden, ob sie den Nachweis ihrer Deutschkenntnisse durch Vorlage des Zertifikats "Start Deutsch 1" erbringen oder ob sie im Rahmen einer Anhörung an einer deutschen Auslandsvertretung einen "Sprachtest" absolvieren wollen. Entscheiden sie sich dafür, ihre Deutschkenntnisse im Rahmen einer Anhörung unter Beweis zu stellen, muss ihre Bezugsperson dies dem Bundesverwaltungsamt mitteilen.
Diese erhält dann für ihren Ehegatten oder Abkömmling eine Einladung zu einem Sammeltermin an den zuständigen Standort. Die Einladung erfolgt in der Regel nicht, bevor der Spätaussiedlerbewerber ("Bezugsperson") die erforderlichen Sprachkenntnisse nachgewiesen hat. Sofern der Ehegatte oder der Abkömmling den Sprachtest nicht besteht, kann das Einbeziehungsverfahren so lange ausgesetzt werden, bis er sich ausreichende deutsche Sprachkenntnisse angeeignet hat. Das Einbeziehungsverfahren wird fortgesetzt, sobald schriftlich ein erneuter Sprachtest beantragt oder das Zertifikat "Start Deutsch 1" nachgereicht wird. Eine Wiederholung des Sprachtests sollte jedoch frühestens 6 Monate nach dem letzten Testtermin beantragt werden, da erfahrungsgemäß mit einer wesentlichen Verbesserung der Sprachkenntnisse nicht früher zu rechnen ist.

Besteht der Ehegatte oder Abkömmling den Wiederholungstest, so wird dem Spätaussiedlerbewerber als Antragsteller der Einbeziehungsbescheid für seine Familienangehörigen erteilt, sofern er noch nicht ausgereist ist und seinen ständigen Aufenthalt noch nicht im Bundesgebiet genommen hat.

Die Einreise von Familienangehörigen des Spätaussiedlerbewerbers, die nicht in dessen Aufnahmebescheid einbezogen werden können, erfolgt nach Maßgabe der jeweils geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen.

Im Falle einer Einreise nach ausländerrechtlichen Bestimmungen obliegt die Entscheidung über ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland der örtlich zuständigen Ausländerbehörde, sofern keine generell erteilte Vorabzustimmung zur gemeinsamen Ausreise vorliegt. Die nach Ausländerrecht einreisenden Familienangehörigen erwerben nicht die Eigenschaft als Deutscher nach Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Für diese besteht jedoch gegebenenfalls die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung.

Zu e)

Minderjährige Abkömmlinge können nur zusammen mit ihren Eltern oder dem sorgeberechtigten Elternteil in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden. Fehlende ausreichende Sprachkenntnisse bei den Eltern verhindern eine Einbeziehung der Enkel, die vielfach von der Großelterngeneration geprägt wurden und von ihnen die deutsche Sprache erlernten.

Zu f)

Ehegatten, die noch keine drei Jahre mit dem Spätaussiedler verheiratet sind, werden in den Aufnahmebescheid nicht einbezogen, § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG. Sie werden auch nicht einbezogen werden können, wenn sie ausreichende deutsche Sprachkenntnisse haben. Wie schon bisher bleibt diesen Ehegatten der Erwerb der Rechtsstellung als Deutscher versagt. Die Einbeziehung und der Erwerb der Rechtsstellung als Deutscher erfolgt nur bei ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache und wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Verlassens des Aussiedlungsgebietes mindestens drei Jahre bestanden hat.

2. Nachzug von Ehegatten und Abkömmlingen nach ausländerrechtlichen Vorgaben

Der Nachzug von Ehegatten und Abkömmlingen von Deutschen, die in den Aufnahmebescheid nicht einbezogen wurden wird sich deshalb in vielen Fällen künftig nach dem Aufenthaltsgesetz richten. Dieses setzt voraus, dass der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet bereits hat. Der Spätaussiedler wird zunächst alleine einreisen müssen um die Aufnahme als Deutscher zu finden und damit den Anspruch auf Familiennachzug zu erwerben. Erst dann kann er seine Familienangehörigen nachkommen lassen. Nachziehen kann nur die sog. Kernfamilie, d.h. Ehegatte und minderjährige Kinder. Volljährige Kinder werden in den ausländerrechtlichen Nachzug nicht einbezogen. Der Nachzug von Kindern nach Vollendung des 12. Lebensjahres wird nach § 32 Aufenthaltsgesetz auch nur möglich sein, wenn das Kind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache hat.

3. Integrationsförderung § 9 BVFG

In § 9 Abs. 1 ist der Anspruch der Spätaussiedler sowie Ehegatten und Abkömmlinge auf einen kostenlosen Integrationskurs geregelt. Der dreistufige Integrationskurs beinhaltet einen Basis- und Aufbaussprachkurs von je bis zu 300 Stunden sowie einen Orientierungskurs von 30 Stunden. Dabei sind Differenzierungen bei der Dauer der Sprachkurse je nach vorhandenen Vorkenntnissen vorgesehen. Die Integrationskurse gelten für alle Zuwanderungsgruppen gleichermaßen.

4. Bundesverwaltungsamt zuständig für Bescheinigungsverfahren, § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG

Das Bundesverwaltungsamt ist zuständig für die Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung. Diese Konzentration der Zuständigkeit beinhaltet für den Antragsteller eine größere Verlässlichkeit der Einheitlichkeit der Entscheidung. Auch die Klarstellung in Satz 2, das Spätaussiedler, die den Sprachtest im Herkunftsgebiet bestanden haben, nicht mehr einen Sprachtest im Bundesgebiet unterzogen werden können, wie bisher in einigen Bundesländern praktiziert, gewährleistet eine verlässliche Entscheidung. Die Spätaussiedlerbescheinigung wird nunmehr ausgestellt, wenn die Voraussetzungen vorliegen und der Spätaussiedler aus der zugewiesenen Kommune eine Anmeldebescheinung an das BVA gesandt hat.

5. Höherstufung nur noch begrenzt möglich, § 15 Abs. 2 Satz 3 BVFG

Eine Höherstufung von § 7 nach § 4 ist bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Aufnahme als Spätaussiedler möglich, wenn der Antragsteller einen Antrag aus eigenem Recht vor Einbeziehung gestellt hatte und dieser noch nicht rechtskräftig abgelehnt wurde. Nach Abs. 2 Satz 3 ist eine Höherstufung von Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern ausdrücklich ausgeschlossen, wenn diese bereits eine bestands- und rechtskräftige Ablehnung ihres eigenen Antrags auf Aufnahme als Spätaussiedler erhalten haben. Eine Höherstufung ist auch nicht möglich, wenn kein eigener Antrag auf Aufnahme gestellt wurde.

6. Keine Übergangsbestimmungen

§ 100 b enthält eine Anwendungsbestimmung für die Personen die bis zum 1.1.2004 in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Bundes registriert und vom Bundesverwaltungsamt auf die Länder verteilt worden sind. Deren Anträge auf Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung werden nicht vom BVA, sondern von den Kommunen bearbeitet.

7. Vertriebenenbeirat

Die Bestimmungen über die Bildung und Aufgaben des Vertriebenenbeirats ( §§ 22-24 BVFG) wurden aufgehoben. Stattdessen hat der Bundesminister des Innern durch Erlass über die Einrichtung eines Beirates für Spätaussiedlerfragen (Gemeinsames Ministerialblatt 2005 Nr. 37) einen Beirat errichtet, dem 16 Mitglieder angehören.