60 Jahre Arbeit für Deutschland

Die Heimatvertriebenen waren nicht Sprengstoff,

sondern Hefe für Deutschland

Im Zusammenhang mit den Gedenkveranstaltungen zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland erklärt BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB:

60 erfolgreiche Jahre der Bundesrepublik Deutschland sind eng verknüpft mit dem Gewaltverzicht und dem Aufbauwillen der deutschen Heimatvertriebenen.

Trotz der Entwurzelung, trotz der Traumata, trotz der Verzweiflung und trotz der Ablehnung, die ihnen von Seiten der Nichtvertriebenen landauf landab entgegenschlug, haben sich die Vertriebenen nicht als Sprengstoff unserer Gesellschaft und unseres Staates verstanden oder missbrauchen lassen, sondern sie waren die Hefe des bundesrepublikanischen Wirtschaftswunders und unserer Gesellschaft. Sie gestalteten dieses Land von Anbeginn auch politisch mit. Männer wie Paul Löbe, Erich Mende oder Hans-Christoph Seebohm gehörten zusammen mit anderen Vertriebenen bereits dem ersten deutschen Bundestag an.

Im April 1949 – die allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen waren noch nicht zum Abschluss gekommen – gründete sich der Zentralverband der vertriebenen Deutschen (ZvD) als Gesamtverband der bereits bestehenden Landesorganisationen der Ost-, Sudeten- und Südostdeutschen im damaligen Bundesgebiet. Im August 1949 erfolgte der Zusammenschluss der auf Bundesebene organisierten heimatpolitischen Verbände zu den Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften (VOL). Aus beiden ging schließlich 1957/58 der Bund der Vertriebenen (BdV) hervor.

Bis 1950 fanden über acht Millionen Vertriebene Aufnahme in West- und Süddeutschland, weitere vier Millionen in der Sowjetischen Besatzungszone, von denen viele in den 50er Jahren – bis zum Mauerbau 1961 – in den Westen weiterflüchteten. Hunderttausende – vor allem aus den böhmischen Ländern und Südosteuropa - fanden auch in Österreich Aufnahme.

Sie wurden nicht zum sozialen Sprengstoff der Nachkriegsgesellschaft, sondern haben von Anfang an – dem selbst gestellten Auftrag aus der Charta der deutschen Heimatvertriebenen vom 5. August 1950 gemäß„durch harte, unermüdliche Arbeit (teilgenommen) am Wiederaufbau Deutschlands und Europas“ mitgewirkt.Nur so konnte das Wiederaufbauwerk gelingen.

Etwa jeder vierte Bundesbürger ist heute Vertriebener oder Abkömmling von Vertriebenen. Bei den Nachgeborenen wächst das Interesse, mehr über die Wurzeln ihrer Familie zu erfahren. Zahlreiche Filme und Dokumentationen blicken auf das damalige Geschehen zurück.

Bemerkenswert war und ist der Zusammenhalt zwischen den Vertriebenen und ihren Verbänden. Sie haben über die Jahrzehnte – auch in Zeiten, in denen es manchen nicht „opportun“ dünkte und von manchen als „Lebenslüge“ der Bonner Republik diffamiert wurde – am Ziel der staatlichen Einheit Deutschlands festgehalten. Der Lauf der Geschichte hat ihnen schließlich Recht gegeben. Nach dem Fall der Mauer konnten sich die Vertriebenen in der ehemaligen DDR erstmals offen zu ihrem Schicksal bekennen.

  Über die Jahrzehnte haben die Vertriebenen auch regen Anteil genommen am Schicksal der Heimatgebiete und der dort lebenden – deutschen und nichtdeutschen -  Menschen, was auch längst hier wie dort anerkannt und gewürdigt wird.

Die Bewahrung des kulturellen Erbes der Heimatgebiete als Teil der deutschen und europäischen Kultur, die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn und den dortigen Deutschen, bleiben originäre Anliegen, zu deren Wahrnehmung niemand besser berufen wäre als die Vertriebenen selber.

Es ist gut, dass Deutschland jetzt mit der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ einen Ort haben wird, an dem das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen, die Geschichte und Kultur ihrer Heimatgebiete und ihre Eingliederung nach Krieg, Flucht und Vertreibung dokumentiert wird.