Altersarmut bei Spätaussiedlern und Kulturerhalt Themen auf Bundesversammlung

Bund der Vertriebenen fasst Entschließungen

Auf der Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen am 30. November 2018 haben die versammelten Vertreter der Landsmannschaften und Landesverbände mit Entschließungen gefordert, einerseits die Alterssicherung bei Spätaussiedlern zu verbessern und andererseits den partizipativen Ansatz in der Kulturarbeit nach § 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) weiter zu stärken.

Der mit hervorragender Mehrheit wiedergewählte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius erklärte dazu:

„Ich freue mich, dass die Bundesversammlung sich erneut so klar zu den Anliegen unserer Spätaussiedler bekannt hat. Altersarmut ist eines unserer drängendsten sozialen Probleme – und wird im Fall der Spätaussiedler ganz klar durch rechtliche Benachteiligungen verursacht. Dies wollen wir ändern.

In der Kulturarbeit sehen wir mit der Kulturkonzeption und den Aussagen im Koalitionsvertrag positive Zeichen. Hier gilt es nun, den partizipativen Ansatz auszuweiten und eine sichere, auch in finanzieller Hinsicht zukunftsfähige Basis für die konkrete Arbeit der Kulturträger und ihrer Organisationen zu schaffen.“

Die folgenden Entschließungen werden Schwerpunkte der Arbeit des BdV in der nunmehr begonnenen Wahlperiode sein.

Entschließungen der BdV-Bundesversammlung vom 30. November 2018:

Altersarmut bei Spätaussiedlern abmildern – Lebensarbeitsleistung anerkennen

Die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen fordert die Bundesregierung erneut auf, das Altersarmutsrisiko bei Spätaussiedlern mit geeigneten Maßnahmen abzumildern und somit die bestehende Generationenungerechtigkeit im Rentenrecht für diesen Personenkreis zu beseitigen.

Nach wie vor blickt die Bundesversammlung mit Besorgnis auf das gesamtgesellschaftlich ansteigende Risiko der Altersarmut. Zwar hat die Bundesregierung in diesem Jahr ein Rentenpaket beschlossen. Unverständlich ist jedoch, dass der Personenkreis der Spätaussiedler in diesem Gesetz keine Berücksichtigung und deren Lebensarbeitsleistung keine Anerkennung gefunden hat.

In den 1990er Jahren wurden einseitige, diesen Personenkreis benachteiligende Rentenkürzungen vorgenommen. So erfolgten 1996 etwa eine pauschale Kürzung der durch Beitragszahlung vor dem Zuzug erworbenen Anwartschaften im Sinne des Fremdrentengesetzes (FRG) um 40 Prozent und zusätzlich eine lebensleistungsunabhängige Deckelung der Entgeltpunkte auf einen Betrag unterhalb der Armutsgrenze. Erschwerend wirkt zudem, dass schon seit 1993 Ehegatten und Abkömmlinge nicht mehr zum FRG-berechtigten Personenkreis gehören. Dadurch führt eine allein auf FRG-Zeiten basierende Alterssicherung Familien deutscher Spätaussiedler zwangsläufig in die Altersarmut.

Die derzeitigen Regelungen werden in keiner Weise der Lebensarbeitsleistung und dem Schicksal der Betroffenen gerecht, denen es erst Anfang der 1990er Jahre überhaupt möglich war, in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen. Deren Familienstrukturen tragen seit Jahren dazu bei, die gesetzliche Rente in unserem Land zu stützen. Die Zahlen unseres umlagefinanzierten Rentensystems zeigen, dass eine besonders leistungsfähige Nachwuchsgeneration aus den Familien der Spätaussiedler Überschüsse in die Rentenkasse einzahlt, der Elterngeneration aber die korrespondierenden Auszahlungen pauschal gekürzt werden.

Dem kann z.B. mit folgenden Maßnahmen begegnet werden:

  • Anhebung der anrechenbaren FRG-Entgeltpunkte sowohl bei Alleinstehenden als auch bei Verheirateten,
  • Aufhebung der pauschalen Kürzung der FRG-Rente um 40 Prozent,
  • Abbau bürokratischer Hürden und finanzieller Belastungen beim Rentenbezug aus dem Ausland,
  • Verlängerung der Erklärungsfrist für Kindererziehungszeiten.

Im Bundesrat hat es bereits mehrfach Initiativen zu diesem Thema gegeben, zuletzt in diesem Jahr vonseiten des Freistaates Bayern. Wir ermutigen hiermit sämtliche Bundesländer, diese Initiativen aufzugreifen.

Gerade vor dem Hintergrund des 65. Jubiläums des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) muss es für die Bundesregierung jetzt Zeit sein zu handeln, um somit Solidarität mit den Spätaussiedlern zu zeigen. Bis heute leidet dieser Teil der deutschen Bevölkerung in besonderer Weise unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Eine angemessene Alterssicherung, auch im Sinne des sozialen Friedens, ist nötig.

Kulturarbeit nach § 96 BVFG und partizipativen Ansatz in der Förderung weiter stärken

Die Bundesversammlung fordert die Bundesregierung auf, die Kulturarbeit nach § 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) und insbesondere den partizipativen Ansatz in der Förderung im Hinblick auf die deutschen Heimatvertriebenen, Spätaussiedler und ihre Verbände bzw. die deutschen Volksgruppen in ihren Heimatgebieten weiter zu stärken.

Wir begrüßen, dass im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD hierzu deutliche Aussagen enthalten sind. Diese greifen den partizipativen Ansatz auf, der bereits in der „Weiterentwicklung der Konzeption zur Erforschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes“ aus dem Jahr 2016 sichtbar wird.

Die Koalitionspartner bezeichnen das kulturelle Erbe der Deutschen in Mittel- und Osteuropa und das Kulturgut der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler als „wichtige Bestandteile der kulturellen Identität Deutschlands“. Sie wollen die im gesetzlichen Auftrag tätigen Institutionen, aber auch die Heimatvertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten als konkrete Träger dieses Erbes im Kulturerhalt „ertüchtigen“. Ausdrücklich wollen die Regierungsparteien die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen in ihrer Arbeit stärken.

All dies sind positive Zeichen, in die sich auch die langsam, aber stetig steigenden, regulären jährlichen Haushaltsmittel in diesem Bereich einreihen.

Um den erklärten Willen aus dem Koalitionsvertrag in die Praxis umzusetzen, muss aber der partizipative Ansatz weiter ausgebaut werden. Es gilt, für die Kulturträger und ihre Organisationen – Landsmannschaften, BdV-Landesverbände und insbesondere die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen – baldmöglichst eine sichere und zukunftsfähige finanzielle Basis zu schaffen. Dazu kann auch eine direkte Zuordnung der Kulturreferenten zu den Landsmannschaften beitragen.