Zur aktuellen Situation der Aufnahme von Spätaussiedlern in Deutschland erklärt der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius:
Aktuelle Berichte aus der Aufnahmepraxis für Spätaussiedler lassen den Schluss zu, dass die Aufnahme von Deutschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion derzeit nicht mehr so erfolgt, wie der Gesetzgeber dies mit der 10. Änderung des Bundesvertriebenengesetzes 2013 beabsichtigt hat.
Insbesondere gibt es dort Probleme, wo Antragstellern zu Zeiten des Sowjetregimes ein nichtdeutsches Volkstum, wie z.B. „russisch“ oder „ukrainisch“, in Ausweis- oder Personenstandsdokumente eingetragen wurde. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von 2021 und dessen restriktiver Auslegung durch das Bundesverwaltungsamt führen solche Eintragungen, wenn sie nicht unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion korrigiert worden sind, in nahezu jedem Fall zur Ablehnung der Aufnahme. Dabei sind derartige Eintragungen häufig Ausdruck der unterdrückenden Minderheitenpolitik in der Sowjetunion.
Das BVFG sieht in § 6 Absatz 2 ganz klar vor, dass die Volkszugehörigkeit „bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise“ erklärt werden kann. Durch explizite Schaffung einer Bekenntnismöglichkeit durch Spracherwerb hat der Gesetzgeber mit der 10. Änderung gerade dem Umstand Rechnung getragen, dass formalisierte Nationalitäteneintragungen nicht mehr möglich sind oder nicht mehr korrigiert werden können. Deutlich hat der Gesetzgeber damit auch zum Ausdruck gebracht, dass eine Nationalitäteneintragung aus einem Unrechtsregime nicht so viel wert sein kann wie ein aktuelles Bekenntnis zum deutschen Volkstum oder ein Bekenntnis etwa durch Sprachkenntnisse, wie es durch die Novelle 2013 ausdrücklich eingeführt wurde.
Der BdV fordert die Bundesregierung daher auf, § 6 BVFG weiter zu präzisieren und mit einer Gesetzesergänzung klarzustellen, dass einem aktuellen Bekenntnis zum deutschen Volkstum bzw. einem „Bekenntnis auf andere Weise“ im Sinne der 10. Änderungsnovelle stets Vorrang vor einer überholten Zuschreibung zur Mehrheitsgesellschaft durch sowjetische Behörden einzuräumen ist. Spielraum für andere, benachteiligende Auslegungen darf es nicht geben.
Außerdem fordert der BdV die Bundesregierung dazu auf, veränderten Lebensrealitäten, etwa durch kriegerische Ereignisse, Rechnung zu tragen: § 4 Absatz 1 BVFG muss dahingehend konkretisiert werden, dass ein vorübergehender Aufenthalt von Deutschen außerhalb des Aussiedlungsgebietes aufgrund von Kriegen, Katastrophen oder anderweitigen Gefahren für Leib und Leben nicht zum Verlust des Aufnahmeanspruches führt.
Dies wäre ein Gebot der Gerechtigkeit und ein Zeichen von Empathie mit den Betroffenen. Ihnen würde die Sorge genommen, dass sie im Falle einer längeren Flucht einen Anspruch auf Aufnahme als Spätaussiedler komplett verlieren.