BdV-Präsidentin Erika Steinbach: Europarat reklamiert gravierende Defizite Polens für deutsche Volksgruppe

Zum Bericht des Europarates zur Anwendung der „Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen“ in der Republik Polen und speziell zur Förderung der deutschen Minderheit erklärt BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB:

Ich begrüße den ausführlichen Staatenbericht zur Lage der deutschen Sprache als Minderheitensprache in Polen. Der Sachverständigenausschuss schildert darin sorgfältig und umfassend die Lage und den Stellenwert des Deutschen als Unterrichts- und Minderheitensprache für die deutsche Volksgruppe in Polen auf der Basis der von Polen eingegangenen Verpflichtungen.

Es wird deutlich, dass neben einigen erfüllten Verpflichtungen nach wie vor zahlreiche gravierende Defizite in Polen vorhanden sind, so dass zu hoffen bleibt, dass die unterbreiteten Verbesserungsvorschläge jetzt auch umgesetzt werden.

Dabei ist es auch Aufgabe der deutschen Bundesregierung, auf die Erfüllung der polnischen Verpflichtungen hinzuwirken.

Sachverständigenauschuss des Europarates mahnt an:

  • Unterricht in Deutsch auf Vorschul-, Grundschul- und Sekundarschulniveau anzubieten und in den Gebieten, in denen Deutsch gebraucht wird, Kontinuität von der Vorschulerziehung bis zur Sekundarschulbildung sicherzustellen
  • für die Aus- und Weiterbildung von entsprechenden Lehrkräften zu sorgen
  • in einer großen Zahl von Gebieten, in denen Deutsch herkömmlicherweise gesprochen wird und Deutschsprachige in einer für die aktuelle Verpflichtung relevanten Anzahl leben, muss die deutsche Sprache auch bei den örtlichen und regionalen Behörden verwendet werden dürfen, selbst wenn der Schwellenwert von 20 Prozent nicht erreicht wird
  • den Sprechern von Regional- oder Minderheitensprachen die gesetzliche Möglichkeit einzuräumen, mündliche oder schriftliche Anträge in ihren Sprachen auch in Distrikten (powiaty) und Woiwodschaften zu stellen, in denen die Zahl der Sprecher groß genug ist
  • den Gebrauch oder die Annahme von deutschen Ortsnamen auch durch diejenigen örtlichen und regionalen Behörden zuzulassen und/oder dazu zu ermutigen, in deren Zuständigkeitsbereich Deutschsprachige den Schwellenwert von 20 Prozent zwar nicht erreichen, aber eine Sprechergruppe darstellen, die für den Zweck dieser Verpflichtung groß genug ist
  • zur Einrichtung mindestens eines öffentlichen Hörfunksenders und eines öffentlichen Fernsehkanals in Deutsch, zu empfangen in allen Gebieten, in denen Deutsch gesprochen wird, zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern
  • bei der Verfolgung ihrer Kulturpolitik im Ausland die deutsche Sprache und die in ihr zum Ausdruck kommende Kultur angemessen zu berücksichtigen
  • die Verbesserung und Kontrolle der Zuschüsse. Polen wird vom Sachverständigenausschuss aufgefordert, das System der Gewährung von Zuschüssen zum Unterricht in Regional- oder Minderheitensprachen zu verbessern und so die Kontinuität des Unterrichts sicherzustellen. Polnische Behörden sollen vor allem die Verwendung der Zuschüsse regelmäßig kontrollieren.

Ich unterstütze diese Anliegen.

Die deutsche Sprache ist für die deutsche Minderheit in Polen wesentlicher Bestandteil ihrer Identität und Kultur. Über Jahrzehnte hinweg war sie ihr strikt verboten. Es besteht dringend Nachholbedarf. Sie muss auf breiter Ebene gefördert werden.

Es kann und darf nicht bei der jetzigen Praxis bleiben.

Polen ist verpflichtet die deutlichen Aufforderungen des Europarates umzusetzen.

Die Feststellungen des Sachverständigenausschusses müssen aber  auch Eingang in die Gespräche zwischen Deutschland und Polen finden. Hier ist die Bundesregierung gefordert, mehr als bisher zu tun.

Der deutschen Minderheit kommt für die deutsch-polnischen Beziehungen eine wichtige Brückenfunktion zu. Diese wird sie umso besser erfüllen können, wenn sie in Polen ausreichend gefördert, sowie als selbständiges und bereicherndes Element wahrgenommen wird.