Im Rahmen des diesjährigen Jahresempfanges wurde dem russlanddeutschen Historiker Dr. Dr. h.c. Alfred Eisfeld die Ehrenplakette, die höchsten Auszeichnung des Bundes der Vertriebenen, verliehen. BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius erklärte, Eisfeld erhalte die Ehrung für seine Forschungen und Veröffentlichungen, aber auch für seinen Einsatz für die Deutschen aus Russland.
In seiner Laudatio skizzierte Fabritius den Lebensweg des zu Ehrenden, der ihn aus einer Kleinstadt in Russland über die Universitäten Bonn und München nach Göttingen führte, wo er bis heute Geschäftsführender Leiter des Instituts für Deutschland- und Osteuropaforschung des Göttinger Arbeitskreises ist. Als Wissenschaftler am Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa (IKGN) sei Eisfeld ein ausgewiesener Experte für die Geschichte und Kultur der Deutschen im Russischen Reich, der Sowjetunion und der GUS. Auf dem Gebiet der politischen Wissenschaft betätigt er sich im Forschungsfeld für russische und sowjetische Nationalitätenpolitik sowie im Bereich der deutsch-russischen und deutsch-ukrainischen Beziehungen.
Die Abteilung „Russlanddeutsche Studien“ am Institut für Deutschland- und Osteuropaforschung, das Herzstück des Göttinger Arbeitskreises, sei eine Forschungs- und Dokumentationsstätte ersten Ranges, so Fabritius. Sie führt Projekte durch mit Kollegen, Forschungseinrichtungen und Archiven in Russland, der Ukraine, in Kasachstan, Kirgisistan und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war Eisfeld u.a. Berater des ersten Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, Horst Waffenschmidt, und Mitglied der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen.
Der BdV-Präsident würdigte in empathischer Weise die Bürde des Wissenschaftlers, der sich in seinen Forschungen immer wieder mit Schicksalsschlägen und existenziellen Prüfungen, Vertreibungen, Deportationen, Zwangsarbeit, Strafkolonien, staatlichen und sozialen Repressionen, aber auch dem Zerschlagen von gewachsenen Gemeinschaften, dem Auseinanderreißen von Familien, dem Hungern und dem Sterben der Volksgemeinschaft auseinandersetzen musste, deren Teil er selbst ist.
„Es ist die Gesamtheit Ihres bisherigen wissenschaftlichen Lebenswerks, das sich dadurch kennzeichnet, dass es einerseits in stetem Tropfen in das kollektive Gedächtnis der Russlanddeutschen einzahlt und dieses wiederum andererseits in seiner Gesamtheit für die heutigen Generationen und für die Nachwelt dokumentiert, erweitert und sichert.“ Damit sei Dr. Alfred Eisfeld über die Jahrzehnte mit seiner Arbeit „zum bedeutendsten russlanddeutschen Historiker herangewachsen“ und leiste einen unschätzbaren Beitrag zur kollektiven Selbstversicherung der russlanddeutschen Gemeinschaft, so Dr. Fabritius, der zum Ende seiner Laudatio die Befürchtung äußerte, dass durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine erneut eine Zeit des Leids und der Flucht für ethnische Deutsche angebrochen sei.
Dankesworte des Geehrten
In seiner Danksagung machte Dr. Eisfeld deutlich, wie wichtig die wissenschaftliche Forschung zur Geschichte der Russlanddeutschen auch für die Völkerverständigung und die gesellschaftliche Integration der als Aussiedler und Spätaussiedler nach Deutschland gekommenen Landsleute ist.
So bedinge die enge Zusammenarbeit des Göttinger Arbeitskreises mit Wissenschaftlern, Organisationen und vielen Ehrenamtlern in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Erschließung und Veröffentlichung von Archivalien und Artefakten. Gleichzeitig seien die Russlanddeutschen nie ausschließlich als Forschungsobjekte, sondern als Subjekte in die Arbeit einbezogen gewesen. Dadurch konnte in jahrzehntelanger Arbeit die große Lücke im kollektiven Gedächtnis verkleinert werden, die sich durch das Verbergen der an den Russlanddeutschen verübten Verbrechen aufgetan habe. Dieses Wissen gehöre sowohl zur deutschen Geschichte als auch zu den Landesgeschichten der Herkunftsländer, so Eisfeld weiter. Es sei nötig, um die von Ausgrenzung und Entwurzelung geprägte Geschichte des „Volk auf dem Weg“ bis heute zu verstehen.
Für die Zukunft wünschte sich Dr. Eisfeld, dass sich das besondere Forschungsinteresse auch in besserer finanzieller Ausstattung und Unterstützung von Veröffentlichungen niederschlägt. Es gebe einen Forschungs- und Publikationsstau, den es aufzulösen gelte. Abschließend dankte er nochmals und bezeichnete die Auszeichnung als weiteren Ansporn – sowohl persönlich als auch für den Göttinger Arbeitskreis.
Klausurtagung des BdV
Fast schon traditionell hatte der Bund der Vertriebenen im Umfeld des Jahresempfanges zu einer Klausurtagung seines Bundesausschusses eingeladen. Auf dieser wurde intensiv über aktuelle Themen und Arbeitsfelder des Verbandes und seiner Mitglieder gesprochen und die laufende Strukturdebatte fortgesetzt. Außerdem wurde mit einem Vortrag von Dr. Alfred Eisfeld zu dessen aktuellen Forschungsschwerpunkten thematisch an die Verleihung der Ehrenplakette angeknüpft.
Die Tagung fand in den Räumen des Dokumentationszentrums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ im Deutschlandhaus in Berlin statt. Direktorin Dr. Gundula Bavendamm begrüßte die Teilnehmer, informierte sie über den aktuellen Arbeitsstand und stand für einen offenen Austausch zur Dauerausstellung zur Verfügung. Das Angebot einer Führung durch die Ausstellungsräume nahmen viele der anwesenden Vorsitzenden der Landsmannschaften und Landesverbände sowie der außerordentlichen Mitgliedsverbände gern an.
(PM)