Erneut wichtige Entschließungen auf der BdV-Bundesversammlung

Die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen, das höchste Beschlussgremium des Verbandes, hat sich auf ihrer jährlichen Zusammenkunft erneut mit einer Vielzahl an aktuellen Themen der deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler beschäftigt. Dabei wurden folgende vier Entschließungen gefasst.


1.    Nachteile für Aussiedler und Spätaussiedler im Rentenrecht beseitigen – Generationengerechtigkeit herstellen

Die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen fordert die Bundesregierung auf, im Sinne ihrer staatlichen Verantwortung endlich für die von Altersarmut betroffenen und bedrohten Aussiedler und Spätaussiedler tätig zu werden und benachteiligende gesetzliche Regelungen aus früheren Jahren zurückzunehmen.

Im 30. Jahr nach dem Fall des Eisernen Vorhanges in Europa darf man das Schicksal von über vier Millionen Mitbürgern nicht vergessen, die jahrzehntelang nicht die Möglichkeit hatten, in die Heimat ihrer Vorfahren, nach Deutschland zurückzukehren. Für viele davon reichte die Zeit hier nicht, um ausreichende Vorsorge für das Alter zu treffen. Sie haben auf die Zusicherungen der Bundesregierung vertraut und wurden Mitte der 1990er Jahre bitter enttäuscht: Zum einen wurden die durch Beitragszahlung vor dem Zuzug erworbenen Anwartschaften pauschal um 40 Prozent gekürzt und zusätzlich eine lebensleistungsunabhängige Deckelung der Entgeltpunkte auf einen Betrag unterhalb der Armutsgrenze beschlossen. Erschwerend wirkt zudem, dass schon seit 1993 Ehegatten und Abkömmlinge nicht mehr zum FRG-berechtigten Personenkreis gehören und damit zum Familienunterhalt im Alter nicht beitragen können.

Die bestehenden Nachteile und die Gefahr der Altersarmut können zu erheblichem sozialem Unfrieden führen und haben schon jetzt zu Unwillen und Misstrauen gegenüber staatlichem und politischem Handeln geführt. Ihre Beseitigung ist eine Notwendigkeit für die Generationengerechtigkeit unseres Rentenrechtes. Die Bundesregierung muss sich jetzt dieser Verantwortung stellen.

Wirksame Maßnahmen zur Beseitigung der bestehenden Nachteile im Rentenrecht sind:

  • Aufhebung der Deckelung der FRG-Entgeltpunkte,
  • Aufhebung der pauschalen 40-Prozent-Kürzung der FRG-Rente,
  • Aufhebung der pauschalen Kürzung von Kindererziehungszeiten sowie eine Verlängerung der Erklärungsfrist bzw. eine gesetzliche Zuweisung zum berechtigten Elternteil,
  • Abbau bürokratischer Hürden und finanzieller Belastungen beim Rentenbezug aus dem Ausland.

Die von der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD auf den Weg gebrachte Grundrente kann für den Kreis der Aussiedler und Spätaussiedler die bestehenden Nachteile im Rentenrecht nicht ausgleichen. Die Anerkennung der Lebensleistung bei Aussiedlern und Spätaussiedlern muss sich in der Korrektur der personenkreisbezogenen Benachteiligung bei Anerkennung von Anwartschaften aus den Herkunftsgebieten spiegeln. Erst die Anwartschaften auf das Armutsniveau zu kürzen, um sie dann durch einen sozialen Rentenaufschlag wieder aufzustocken, der die vorgenommenen Kürzungen in der Regel nicht ausgleicht, wird nicht nur bei den Betroffenen Unverständnis hervorrufen. Im Sinne der Betroffenen sollten zunächst die bestehenden Nachteile im Rentenrecht ausgeglichen werden, bevor dann der Anspruch auf Grundrente überprüft wird.


2.    Kulturarbeit der Vertriebenen weiter stärken

Die Bundesversammlung fordert die Bundesregierung und sämtliche Regierungen der Länder auf, den Stärkungsprozess des partizipativen Ansatzes in der Kulturarbeit nach § 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) fortzusetzen. Insbesondere gilt es, die Förderung der deutschen Heimatvertriebenen, Spätaussiedler und ihrer Verbände bzw. der deutschen Volksgruppen in ihren Heimatgebieten zu intensivieren und wichtige Großprojekte voranzubringen.

Wir sehen die hierzu bislang beschlossenen Mittel als wichtige Schritte auf dem Weg zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrages aus § 96 BVFG. Sie tragen zu einer noch umfassenderen Bewahrung, Erforschung, Vermittlung und vor allem Weiterentwicklung des kulturellen Erbes bzw. der Kulturleistungen der durch den Bund der Vertriebenen vertretenen Menschen bei.

Das kulturelle Erbe der Deutschen in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa und in den heutigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die Kultur der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler sowie die Kultur der heute noch in den Heimat- und Herkunftsgebieten lebenden Deutschen gehören zur kulturellen Identität Deutschlands, an deren lebendigem Erhalt bzw. ihrer Weiterentwicklung gesamtgesellschaftliches Interesse besteht. 

Im Sinne des partizipativen Ansatzes der gesetzlich verankerten Kulturförderung gilt es daher, die Kulturträger und ihre Organisationen – Landsmannschaften, BdV-Landesverbände und insbesondere die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen – in ihrer Arbeit zu unterstützen und diese auf sichere und zukunftsfähige finanzielle Fundamente zu stellen. Eine direkte Zuordnung der Kulturreferenten zu den jeweiligen Landsmannschaften würde hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.

Darüber hinaus mahnen wir angesichts des 75. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges und des Beginns von Flucht und Vertreibung sowie des 70. Jubiläumsjahres der Charta der deutschen Heimatvertriebenen im Jahr 2020 zur Eile bei der Eröffnung des Dokumentationszentrums und der Fertigstellung der Dauerausstellung der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Auf der Zielgeraden dürfen ideologisch überfrachtete Debatten über die Vergangenheit nicht auf dem Rücken der Betroffenen erneut ausgefochten werden. Es gilt, die gesetzlich festgelegte Schwerpunktsetzung der Ausstellung umzusetzen und die Ausstellung so schnell wie möglich und unter Einbeziehung der noch lebenden Zeitzeugen zu eröffnen.


3. Wissensvermittlung zu Flucht und Vertreibung verbessern

Die Bundesversammlung fordert die Regierungen der Länder und die Bundesregierung auf, das Wissen und die Wissensvermittlung um die Siedlungs- und Schicksalsgeschichte der Deutschen im östlichen Europa sowie zu Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den historischen deutschen Ost- und Siedlungsgebieten und die aus diesem Gesamtkomplex erwachsenen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge deutlich zu stärken.

Diese Themen sind ein prägender Teil unserer Geschichte und unserer Erinnerungslandschaft und gehören in das Gedächtnis des gesamten deutschen Volkes. Deshalb muss ihnen in den Schulen und Universitäten mehr Raum und größerer Stellenwert gegeben werden. 

Der Wissensvermittlung über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den historischen deutschen Ost- und Siedlungsgebieten und ihrer Aufnahme und Integration nach 1945 muss dabei schon in der Schule ein größeres zeitliches Kontingent eingeräumt werden. Das Thema sollte verpflichtend in die Lehrpläne aufgenommen werden, die Lehrerausbildung entsprechend angepasst und das Forschungsinteresse an Universitäten durch gezielte Anreize gesteigert werden.

Möglichkeiten der außerschulischen Bildung, wie z.B. über Ausstellungen in den ostdeutschen Landesmuseen oder die Wanderausstellungen der Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN müssen dauerhaft unterstützt werden.


4. Sonderbriefmarke zu 75 Jahre Flucht und Vertreibung veröffentlichen

Die Bundesversammlung fordert die Bundesregierung, aber insbesondere die Mitglieder des Programmbeirates beim Bundesministerium der Finanzen sowie die Deutsche Post AG auf, im Jahr 2020 anlässlich des 75. Jahrestages des Beginns von Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkrieges eine Sonderbriefmarke zu diesem Thema zu veröffentlichen. 

Zugleich begrüßen wir, dass der Parteitag der CDU Deutschlands in Leipzig sich dieses Anliegens ebenfalls angenommen und einen ähnlich lautenden Beschluss gefasst hat. 

Eine solche Sonderbriefmarke könnte zum 20. Juni 2020 – dem nationalen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung – herausgegeben werden und würde damit ein  gleichermaßen ein deutliches Zeichen der Anteilnahme am Schicksal der Vertriebenen wie zur Ächtung von Vertreibungen weltweit aussenden.