Kulturelles Erbe der Vertriebenen ist Thema im Koalitionsvertrag

Rentenbenachteiligungen bei Aussiedlern und Spätaussiedlern und Kriegsfolgenschicksal deutscher Minderheiten bleiben offen

Zur Vorstellung des Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP erklärt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius:

Der gestern vorgelegte Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP bietet gute Ansätze, lässt aber entscheidende Fragen offen. Insgesamt erwarten wir, dass der Bund der Vertriebenen und seine Mitgliedsorganisationen, aber auch die vielen weiteren Institutionen und zahllosen Ehrenamtlichen in unserem Bereich ihre wichtige Arbeit auch zukünftig fortsetzen können.

So ist es gut, dass sich die Ampel-Koalition ausdrücklich hinter das „kulturelle Erbe der Vertriebenen, Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler“ stellt. Wir legen jedoch Wert auf die Feststellung, dass auch die Menschen – also auch Heimatvertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler – selbstverständlicher Teil unserer vielfältigen Gesellschaft sind. Auch wenn die deutschen Minderheiten in den Heimatgebieten im neuen Koalitionsvertrag leider nicht adressiert sind, werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass die bisherige Kulturpolitik in unserem Bereich unter Einbeziehung aller Träger und Adressaten fortgesetzt und ausgebaut wird.

Ebenso wichtig ist es, dass die Koalition den sozialpolitischen Impuls der letzten Bundesregierung, einen Härtefallfonds auch für rentenrechtlich benachteiligte Spätaussiedler einzuführen, aufgreift und umsetzen will. Ausgeschlossen sollen laut Koalitionsvertrag weiterhin alle deutschen Aussiedler bleiben – also die von Rentenbenachteiligungen Betroffenen, die vor 1993 in Deutschland Aufnahme gefunden haben. Dies ist ein wichtiger Kritikpunkt, der bereits in der letzten Wahlperiode mit Nachdruck angemeldet wurde. Diese Gerechtigkeitslücke muss dringend geschlossen und sämtliche Aussiedler und Spätaussiedler dabei einbezogen werden. Der Härtefallfonds bleibt ein Kompromiss: Für den BdV und die Verbände der Aussiedler und Spätaussiedler bleibt es erforderlich, rentenrechtliche Benachteiligungen dieses Personenkreises endlich zu beseitigen und gesetzliche Regelungen im Rentenrecht für Aussiedler und Spätaussiedler zu verbessern – und so die Lebensarbeitsleistung und den deutlichen Generationenbeitrag dieser gesellschaftlichen Gruppe für das Solidarsystem Rentenversicherung anzuerkennen.

Die nationalen Minderheiten in Deutschland werden genannt, darüber hinaus wird ein allgemeiner Einsatz für nationale Minderheiten durch ein Bekenntnis der neuen Bundesregierung zu der Minority Safepack Initiative angesprochen. Die Verantwortung Deutschlands für die im Ausland lebenden angestammten deutschen Minderheiten und das von ihnen getragene Kriegsfolgenschicksal mit dessen fatalen Auswirkungen für ihre kulturelle Identität hingegen haben leider keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. So wird der BdV sich weiter dafür einsetzen, dass diese Minderheiten auch zukünftig eine gesicherte Förderung aus Deutschland erhalten, auf die sie zum Sprach-, Kultur- und Identitätserhalt dringend angewiesen sind.

Mit der neuen Führung des Bundesinnenministeriums und anderer beteiligter Ressorts wird der BdV den jahrzehntelangen, guten und vertrauensvollen Dialog zur verständigungspolitischen Arbeit als „Brückenbauer“ im Verhältnis zu unseren Nachbarstaaten fortsetzen.

Der BdV erwartet, dass sich auch die neue Bundesregierung in Kontinuität aller bisherigen Regierungen zum pauschalen Kriegsfolgenschicksal aller Deutscher aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion bekennt und die Spätaussiedleraufnahme unter den geltenden gesetzlichen Bestimmungen unverändert fortführt.

Wir begrüßen, dass die Migrationsberatung des Bundes angemessen gefördert werden soll. Dies erhöht zum einen die Integrationschancen und ist ein gutes Signal auch für unsere bundesweit tätigen haupt- und ehrenamtlichen Berater. Auch hier wird der Bund der Vertriebenen als Menschenrechtsverband seine vertiefte Erfahrung weiter einbringen.

Positiv ist, dass einige menschenrechtliche Forderungen des BdV von den drei Parteien aufgegriffen werden, indem die Bekämpfung von Fluchtursachen als ein wichtiges politisches Ziel formuliert wird. Jeder Einsatz in diese Richtung ist für den BdV ein wichtiger Schritt zur Umsetzung des Rechts auf die Heimat, das wir von Beginn unserer Arbeit an fordern. Darüber hinaus bleibt ein internationales, strafbewehrtes Vertreibungsverbot nötig.


Thematisch wichtige Auszüge aus dem Koalitionsvertrag

Wir setzen den geplanten Fonds aus der 19. Wahlperiode zur Abmilderung von Härtefällen aus der Ost-West-Rentenüberleitung auch für jüdische Kontingentflüchtlinge und Spätaussiedler um. (S. 74)

Die nationalen Minderheiten – die dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe, die deutschen Sinti und Roma sowie das sorbische Volk – sind selbstverständlicher Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Das gleiche gilt für das kulturelle Erbe der Vertriebenen, Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. (S. 118)

Die Initiative Minority SafePack unterstützen wir proaktiv und setzen sie in Deutschland um. Projekte für den Erhalt und die Entfaltung der Minderheiten, ihrer Sprachen und Kultur bauen wir aus. (S. 121)

Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung und den Verpflichtungen, die sich aus dem Grundgesetz, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Europarecht ergeben, um Geflüchtete zu schützen und Fluchtursachen zu bekämpfen. (S. 138)

Die Migrationsberatung des Bundes (Jugendmigrationsdienste, Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderinnen und Zuwanderer) und die Migrantenselbstorganisationen werden wir angemessen fördern. Für eine schnelle und nachhaltige Arbeitsmarktintegration werden wir die auf den Integrationskursen aufbauenden Berufssprachkurse stärker fördern und die Mittel verstetigen. (S. 139)

Wir wollen die Ursachen von Flucht angehen, damit Menschen in Sicherheit und Würde leben können. Wir werden zudem die ausbeuterischen Verhältnisse auf den Fluchtwegen und Schleuserkriminalität bekämpfen. (S. 142)

Wir wollen die Rechte von Minderheiten auf internationaler Ebene und insbesondere innerhalb der EU stärken. (S. 147)