Rede zum Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen am 26. August 2023 in Berlin

BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius

Sehr geehrter Herr Minister Beuth,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter,
Exzellenz, Herr Botschafter Makeiev, 
sehr geehrter Herr Weihbischof Dr. Hauke, Herr Oberkirchenrat Iro, lieber Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Herr Dainow, 
geehrte Exzellenzen und Eminenzen, geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der Landtage, liebe Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler,
verehrte Ehrengäste aus Bund, Ländern und Gemeinden, liebe Vertreter der deutschen Minderheiten aus den Nachbarländern,
liebe Landsleute,
meine Damen und Herren,

zur diesjährigen Auftaktveranstaltung zum Tag der Heimat 2023 des Bundes der Vertriebenen heiße ich Sie in der Französischen Friedrichstadtkirche ganz herzlich willkommen!

Ich bin sehr dankbar, dass Sie, Herr Minister Beuth, heute die Festrede halten werden und begrüße Sie als Hessischen Minister des Innern und für Sport ganz herzlich in unserer Mitte.

Wir empfangen Sie, lieber Herr Beuth, auch als Träger der Verdienstmedaille des BdV-Landesverbands Hessen, mit der Sie im Juni ausgezeichnet wurden. Diese allerhöchste Ehrung wird nur Personen zuteil, die sich durch ihren herausgehobenen Einsatz für die Belange der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler ganz besonders verdient gemacht haben.

Erwähnt sei nur, dass Sie sich in guter Abstimmung mit der Landesbeauftragten Frau Ziegler-Raschdorf die ich ebenfalls begrüße, lieber Herr Minister, erfolgreich für die stete Erhöhung der Fördermittel für Vertriebene und Spätaussiedler in Ihrem Bundesland tätig geworden sind. Das „offene Ohr“, liebe Her Minister, das Sie jederzeit für die Belange der Vertriebenen sowie für deren Projekte haben, hat sich weit über die Grenzen Hessens hinaus herumgesprochen. Danke dafür!

Wir freuen uns ebenfalls sehr, dass Sie, geehrter Herr Botschafter Makeiev, unser Gast sind und das Podium des heutigen Tages nutzen werden, um uns über die Situation in Ihrem Land, der Ukraine, zu berichten. Dieser unselige Krieg, der von der Russischen Föderation gegen Ihr Land geführt wird, erfüllt uns mit großer Anteilnahme für Ihr Volk und weckt bei vielen von uns tiefsitzende Emotionen.

Krieg und Vertreibung – Geißeln der Menschheit. Unter dieses Leitwort hat der Bund der Vertriebenen den diesjährigen Tag der Heimat gestellt. Und meine Damen und Herren, es ist keine zufällige Parallele zwischen dem Grauen des Zweiten Weltkriegs und dem, was heute in der Ukraine geschieht. Nein, es ist eine ganz bewusst gewählte Mahnung, die gerade diese Assoziation fordert!

Herzlich willkommen in unserer Mitte, Herr Botschafter.

Ihnen, sehr geehrter Herr Weihbischof Dr. Hauke, sind wir ebenfalls zu Dank verpflichtet. Sie werden mit dem geistlichen Wort als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge unseren Tag der Heimat würdig und angemessen beschließen.

Ich freue mich natürlich, dass traditionell die Potsdamer Turmbläser da oben unter der Leitung von Stephan Rudolph unsere Veranstaltung musikalisch umrahmen werden. Ganz herzlichen Dank an die Musiker.

Und natürlich übertragen wir auch in diesem Jahr unsere zentrale Auftaktveranstaltung live im Internet – damit wir auch jene Menschen erreichen die heute nicht anwesend sein können.

Meine Damen und Herren, liebe Landsleute,

„Krieg und Vertreibung – Geißeln der Menschheit“: Angesichts des unseligen Krieges Russlands suchen wir mit dem Leitwort den unmittelbaren Bezug zu dieser Tragödie und verleihen damit auch der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Gewalt in einem unserer europäischen Nachbarländer Ausdruck. Tausende von Toten sind Tausende Toten zu viel.

Die Kriegsopfer, die vor Gewalt und Vernichtung geflüchtet sind, genau wie die Zuhausegebliebenen, drohen generationenübergreifend und langfristig unter diesem Kollektivverbrechen zu leiden.

Gerade wir, denen das Schicksal der aus dem Kriegsgebiet flüchtenden Menschen wie ein höhnisches Déjà-vu der Geschichte unter die Haut geht ... – gerade wir stellen uns die Frage: Werden diese Menschen als über längere Zeit Entwurzelte jemals wieder in ihr früheres Leben zurückkehren können? Wiederholt sich Geschichte, wie wir sie aus der Mitte des letzten Jahrhunderts kennen erneut?

Wir Vertriebene und Spätaussiedler können wie niemand sonst in Deutschland aus eigener Erfahrung glaubhaft von den Folgen von kriegsbedingter Flucht und Vertreibung berichten! Und immer gibt es unschuldige Opfer – auf allen Seiten.

Ob durch Flucht und Vertreibung im direkten zeitlichen Bezug zu einem Krieg oder in den darauffolgenden Verbrechen als Kriegsfolgeschicksal, welch Begriff, wie Deportation, Zwangsarbeit, Entrechtung, Enteignung, Ausgrenzung: Die Vertreibung und der damit verbundene Verlust der Heimat verändern das Leben der Betroffenen und ihrer Kinder und Kindeskinder drastisch. Vertreibung und Verlust der Heimat traumatisieren bis in die Enkelgeneration. 

Man spricht von einem nachweisbaren kollektiven Trauma bis in die dritte Generation der Nachkommen von Heimatvertriebenen.

Das ist eine der unwidersprechbaren Begründungen, mit welcher wir immer wieder – auch nach den Erfahrungen des von Deutschland ausgelösten Zweiten Weltkrieges und den entsetzlichen Verbrechen des Nazi-Regimes – ein internationales, strafbewehrtes Vertreibungsverbot fordern. Das ist eine Forderung des BdV, die wir so lange erheben, bis sie weltweit erfüllt ist. 

Meine Damen und Herren, 

ich will heute offen sprechen: Der Bund der Vertriebenen ist keine Regierung und auch keine Partei. Es ist nicht an uns, als überparteilicher Opferverband und Interessengemeinschaft Forderungen an die Kriegsparteien zu stellen. 

Aber eines können wir: eindringlich und absolut glaubhaft dazu mahnen, unschuldigen Menschen nicht länger Leid anzutun – durch einen Krieg, der sie ihrer Heimat, ihrer Menschenwürde und oft auch ihres Lebens beraubt.

An die Verursacher in Russland: Hören Sie endlich damit auf! Lassen Sie die Menschen in der Ukraine – und überall auf der Welt – in Frieden leben!

Was für eine große Aufgabe wird es sein, die katastrophalen Schäden wieder aufzuräumen. Ich spreche nicht nur von den Zerstörungen der Städte, der Dörfer und der Infrastruktur. Ich spreche auch hauptsächlich davon, dass erneut zwischenmenschliche Feindbilder ein friedliches, lange eingeübtes Miteinander zerstören.

Ganz bewusst denke ich auch an unsere deutschen Landsleute – sowohl in der Ukraine, herzlich willkommen Wolodymyr Leysle, als Vorsitzender des Rates der Deutschen in der Ukraine, als auch in der Russischen Föderation. Herzlich willkommen Olga Martens, die vorherige Vertreterin im IVDK.

Viele Mitglieder der deutschen Minderheit in der Ukraine haben Angehörige in Sicherheit gebracht und setzen sich für die Verteidigung ihrer Heimat ein. Viele Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler aus der Ukraine engagieren sich hier und unterstützen ihre Familien „daheim“. Ihnen allen gebührt großer Respekt.

Bei der Aufnahme in Deutschland – sei sie vorübergehend oder endgültig – gibt es, trotz unserer intensiven Bemühungen unseres Verbandes und der zuständigen Landsmannschaften, leider administrative Probleme und Unklarheiten. Dazu komme ich später noch im Detail zu sprechen.

Aber wir denken auch an unsere Landsleute in der Russischen Föderation, die jetzt erneut aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit unter Generalverdacht geraten, drangsaliert und ausgegrenzt werden.

Hilfe uns Solidarität sind wichtig, und wir leisten diese aus Überzeugung. Der BdV hat als Verband gemeinsam mit der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und mit weiteren Mitgliedsorganisationen insgesamt mehr als 80.000 Euro Spenden für eine bereits in den ersten Kriegstagen durch uns gestartete Hilfsaktion für die deutsche Minderheit in der Ukraine eingeworben.

Für diese Spenden, die zu einem erheblichen Teil von unseren Basisgliederungen stammen und mit denen wir – gemeinsam mit unseren Partnerverbänden in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten in der FUEN, in der Ukraine selbst, aber auch in Rumänien, Polen, der Slowakei oder Ungarn – akute Notlagen lindern konnten, hat uns in diesem Jahr Bundeskanzler Olaf Scholz bei unserem Jahresempfang seinen Dank und Respekt gezollt.

Seine Worte möchte ich hier gern wiederholen. Der Bund der Vertriebenen habe sich – ich zitiere –

„(…) über alle Maßen engagiert (…). Sie haben Hilfe für Flüchtlinge in der Ukraine organisiert (…). Auch über die Landsmannschaften haben Sie Spenden- und Hilfsaktionen ins Leben gerufen. In der Krise hat sich wieder einmal gezeigt, wie gut und eng die Verbindungen (…) in die osteuropäischen Staaten sind – sie sind wahre Brückenbauer. (…) Ihr Einsatz – davon bin ich sehr überzeugt – hat auch etwas mit Empathie zu tun, mit der Fähigkeit, sich in die Not anderer hineinzuversetzen. Dafür sage ich Ihnen von ganzem Herzen: Vielen Dank!“ Soweit das Zitat.

So, meine Damen und Herren, die anerkennenden und wohlmeinenden Worte des Bundeskanzlers, die unsere Arbeit wertschätzen.

Dieser „Brückenbau“ – also unsere verständigungspolitische Arbeit wie sie technisch heißt – verbindet uns und insbesondere unsere Landsmannschaften fast „familiär“ mit den deutschen Minderheiten in allen deutsch besiedelten Gebieten in Mittel- und Südosteuropa sowie mit den Deutschen in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und ihren Selbstorganisationen, ich sage dazu – mit unseren ehemaligen Heimatgebieten und ich freue mich sehr an dieser Stelle dem Vorsitzender der AGDM in der FUEN, Bernard Gaida als Vertreter all dieser Minderheiten zu begrüßen.

Abgestimmt mit diesen Verbänden hat der BdV sich immer wieder dafür eingesetzt, dass die jeweilige Bundesregierung ihre aus der Geschichte resultierende Verantwortung gegenüber diesen Volksgruppen annimmt und sie in ihr politisches Handeln einbezieht.

Das Kriegsfolgeschicksal der Deutschen im historischen Russland endet nicht per Dekret, es kann nicht ignoriert oder weggeschwiegen werden.

Es bleibt unsere Aufgabe im BdV, solidarisch über alle 17 Landsmannschaften hinweg einzufordern, dass die deutsche Diplomatie, aber auch die noch in Russland verbliebenen Stiftungen und Organisationen sich öffentlich entgegenstellen, wenn in der Russischen Föderation die deutschen Minderheiten diskreditiert wird, wenn Repressionen zunehmen und Diskriminierung Raum greift.

Diejenigen Landsleute, die als Spätaussiedler nach Deutschland kommen wollen, haben einen berechtigten Anspruch, mittels eines verlässlichen, gerechten und geordneten Verfahrens Aufnahme zu finden.

Auch hier gibt es viel zu tun. Rechtsprechung und Verwaltungspraxis müssen sich immer auch an der aktuellen Lebenswirklichkeit der Betroffenen messen lassen. Gerade hier sehen wir als Bund der Vertriebenen derzeit großen Nachholbedarf.

Ein von der aktuellen Bundesregierung unnötig restriktiv ausgelegtes Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2021 führt nämlich etwa seit Mitte 2022 – also genau in der Kriegszeit – zu massiven Verfahrensverschlechterungen.

Es geht darum, kurz gesagt, dass eine nicht-deutsche Nationalitäteneintragung aus der Sowjetzeit in Personenstandsurkunden oder Personaldokumenten automatisch als willentliches „Gegenbekenntnis“ ausgelegt wird und zur Ablehnung der Aufnahme führt.

Wie kann so etwas sein? Sind neuerdings ehemalige sowjetische „Behörden“, die einem Antragsteller vor Jahrzehnten im kommunistischen Unrechtsstaat Sowjetunion eine russische oder kasachische oder wie auch immer geartete andere Volkszugehörigkeit in Geburtsurkunde oder Pass eingetragen haben, für die deutsche Verwaltungspraxis der Maßstab für Rechtsstaatlichkeit und für eine freie Entscheidungsbildung?

Gerade wenn alle weiteren Bedingungen wie Abstammung und Sprache erfüllt sind, kommt eine Ablehnung eines Aufnahmeantrages als Spätaussiedler einer nachträglichen Legitimierung der kommunistischen Diktatur in diesen Punkten und einer Negierung des Kriegsfolgeschicksals der dortigen deutschen Minderheiten gleich.

Wir drängen darauf, dass ein früheres „Gegenbekenntnis“ durch ein neueres Bekenntnis zum deutschen Volkstum – ganz im Sinne der 2013 vom Deutschen Bundestag beschlossenen X. Novelle des BVFG - korrigiert werden kann und in seiner Bewertung vor Sowjetische Eintragungen zurücktritt.

Die jetzige Verwaltungspraxis haben wir frühzeitig öffentlich kritisiert und Änderungen gefordert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Aussiedlerbeauftragte Natalie Pawlik sagten zu, dass eine Gesetzesänderung noch vor der Sommerpause in die parlamentarische Beratung gebracht werden sollte. In der Verbandsanhörung dazu hatten wir positives unterstrichen und wichtigen Ergänzungsbedarf angemeldet.

Doch die Zusagen wurden leider nicht eingehalten: Die Regierung hat wohl einen Entwurf zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes zur Erleichterungen in der Spätaussiedleraufnahme fertiggestellt. Aber dieser kam trotz Zusagen in der letzten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages nicht mehr wie versprochen nicht mehr auf die Tagesordnung – angeblich aufgrund von Differenzen innerhalb der Koalition in völlig anderen Politikbereichen!

Ich sage dazu ganz klar: Hier haben Teile der Regierungsfraktionen gezeigt, dass sie kein Gespür für die Dringlichkeit dieses Anliegens haben und mit herzlosem politischen Geschacher allen Betroffenen einen Bärendienst erwiesen. Das ist für uns nicht hinnehmbar. 

Hinter der notwendigen BVFG-Änderung stehen menschliche Schicksale, die gerade jetzt im Krieg Russlands gegen die Ukraine von Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung betroffen sind – beiderseits der Grenze!

Die angekündigte Änderung des BVFG muss jetzt kommen und das Problem „Gegenbekenntnis“ der sowjetischen Machthaber ein für alle Mal abräumen!

Mit Blick auf die russische Aggression in der Ukraine bleiben wir außerdem bei unserer Forderung eines Ministererlasses, der deutlich erklärt, dass eine längere kriegsbedingte Flucht nicht zu einem Verlust des Anspruchs auf Aufnahme als Spätaussiedler führen darf.

Wenn wir – den aktuellen Entwicklungen geschuldet, meine Damen und Herren – verstärkt von dem Leid der Deutschen in der Ukraine und den Benachteiligungen der Deutschen in der Russischen Föderation sprechen, müssen wir zwangsläufig feststellen, dass auch hier im Inland unser Engagement gefordert bleibt: Die Benachteiligung von Aussiedlern und Spätaussiedlern im deutschen Rentenrecht belasten das Gerechtigkeitsempfinden der Betroffenen ganz massiv.

Wir haben immer wieder die Einstandspflicht Deutschlands für das besondere Kriegsfolgeschicksal von Aussiedler und Spätaussiedler betont. Wir haben mehrfach Korrekturen im Rentenrecht gefordert, um die nachweisliche Altersarmut im Personenkreis der deutschen Aussiedler und Spätaussiedler zu beseitigen.

Es mutet, erlauben Sie mir diese deutlichen Worte, schon etwas wie Hohn und Spott an, wenn Spätaussiedler – unter bestimmten ganz engen Zuzugs- und Altersvoraussetzungen –mit einer geringen pauschalen Einmalzahlung aus einem Härtefallfonds abgefunden werden, statt ihre Lebensleistung zu honorieren.

Eine angemessene Anerkennung der Arbeitsbiografien und der Lebensleistung von Aussiedlern und Spätaussiedlern kann nur durch eine Korrektur der Kürzungen aus den 1990er Jahren erfolgen. Diese Kürzungen sind die Hauptursachen der Altersarmut dieser Menschen.

Statt hier anzusetzen und dringend notwendige Rechtsanpassungen im Sozialrecht vorzunehmen, wird nun mit dem Härtefallfonds Augenwischerei betrieben.  Das betrachten wir als unredlich.

Auch an dieser Sache bleiben wir als BdV ganz bestimmt und hartnäckig dran.

Meine Damen und Herren, liebe Gäste,

der Bund der Vertriebenen hat schon immer über das jeweils aktuelle Geschehen hinausgeblickt und seine immerwährenden Aufgaben wahrgenommen.

Es trifft zwar zu, dass wir seit Monaten auf die Folgen fokussieren, die der russische Angriffskrieg für unsere Landsleute in ihrer Heimat, für Deutschland und für Europa hat.

Deswegen halten wir trotzdem an dem Einsatz fest, der zur DNA unseres Verbands gehört: Wir sind die legitimen Vertreter der Interessen all jener Menschen und Verbände, die unter dem Unrecht der Flucht und der Vertreibung der Deutschen in der Mitte des letzten Jahrhunderts gelitten haben und bis heute leiden. Diese Aufgabe steht in jeder Zeile unserer Satzung und bleibt uns ewiger Auftrag.

Wir sind es, die unsere Landsmannschaften und die Landesverbände vereinen, die Arbeit bündeln und befeuern.

Wir sind es, die mit einer Stimme sprechen, wenn wir uns Gehör verschaffen müssen. Alles, was wir erreichen wollen in einem – zugegeben, in diesen Zeiten überaus – schwierigen Umfeld, steht direkt oder mittelbar mit dem Bundesvertriebenengesetz in Verbindung. 

Das BVFG (die Kurzbezeichnung) erkennt uns Heimatvertriebene und Spätaussiedler als Leidtragende an und motiviert uns durch Wortlaut und Intention, unsere Interessen öffentlich zu vertreten.

Das BVFG ist eine Erfolgsgeschichte, die sich in diesem Jahr zum 70. Mal jährte: Am 5. Juni 1953 trat es in Kraft. Es gilt gemeinhin als Abschluss der westdeutschen Vertriebenengesetzgebung nach dem Zweiten Weltkrieg und als wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zu sozialer und wirtschaftlicher Gleichstellung.

Die Vertriebenengesetzgebung insgesamt, aber insbesondere das BVFG ist die konsequente politische Umsetzung dessen, was bereits in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 als Forderungen der Vertriebenen und Flüchtlinge zu ihrer Eingliederung in die Nachkriegsgesellschaft enthalten ist. 

Die Vertriebenen selbst gestalteten die Gesetzgebung entscheidend mit und nahmen als Binnenvertriebene ihre staatsbürgerlichen Rechte wahr.

Das BVFG wurde über die Jahrzehnte wiederholt novelliert und den jeweiligen Erfordernissen angepasst. Das ist, das ist auch jetzt nötig.

Was sagte Bundeskanzler Willy Brandt seinerzeit zum BVFG? „Unser Staat und unsere Wirtschaft stünden nicht dort, wo sie heute stehen, wenn ihnen nicht so starke Kraftströme durch die vertriebenen Landsleute zugeflossen wären. Unsere Demokratie wäre nicht krisenfest, wenn sie nicht von den Vertriebenen und Flüchtlingen mitgestaltet und mitgetragen würde.“

Auch das, meine Damen und Herren, haben einige Koalitionsparteien anscheinend vergessen.

Die Vertriebenen hatten bereits in den Anfängen der Bundesrepublik großen Anteil an Deutschlands Weg in eine sichere und in eine friedliche Zukunft. Das kann uns keiner wegnehmen.

Heute wissen wir auch, wie weitsichtig unsere Vordenker damals mit der Verabschiedung des sogenannten Kulturparagrafen 96 gewesen sind. Dessen Aufträge laut Gesetzestext sind der Kulturerhalt „im Bewusstsein des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes“, die wissenschaftliche Erforschung sowie die „Weiterentwicklung der Kulturleistungen der Vertriebenen und Flüchtlinge“ und diese Aufträge haben im Laufe der Jahrzehnte immer größere Relevanz erhalten.

Die Inhalte des Paragrafen sind 1990 sogar in den Einigungsvertrag eingeflossen. Dadurch erhielt die Sicherung, Erforschung und Fortentwicklung unseres kulturellen Erbes nochmals eine herausgehobenere Rechtsqualität sowie eine besondere Bestandskraft.

Gerade auch für die Vertriebenen in der ehemaligen DDR, das erwähne ich ganz absichtlich, die über 40 Jahre ihr Schicksal tabuisiert sahen, war und ist das kulturelle Erleben von großer Bedeutung. Für uns als BdV ist es daher wichtig, dass der Bund und alle Bundesländer dieser gesetzlichen Verpflichtung vollumfänglich nachkommen und die Arbeit auch in Krisenzeiten angemessen fördern. Dass ich das gerade heute betonen muss, hat leider seinen Grund.

Der Bund der Vertriebenen vertritt eine geschichtsbewusste Sicht auf die Zukunft und wir verstehen uns als „Arbeiter der Verständigung“ mit unseren östlichen Nachbarn.

Unsere Arbeit ist kein Selbstzweck, sondern Ausdruck der Gewissheit, dass wir im Interesse unseres Landes, der Völkerverständigung und des Friedens handeln. So weit, so gut – auch wenn etwas mehr politischer Rückhalt im aktuellen politischen Berlin für die Vertriebenenverbände wünschenswert wäre und nicht den aktuellen Strömungen des Zeitgeistes geopfert würde…

Unsere Arbeit hat jedoch noch eine weitere Seite. Sie hat mit Emotionen, mit Sehnsüchten, mit Erinnerungen, mit Traditionen und Brauchtum und Kultur zu tun.

Wir pflegen die mitgebrachte, entwurzelte Kultur unter erschwerten Bedingungen. Aber wir tun es mit Herz und Seele und aus Überzeugung!

Dafür erwarten wir, dass der Bund und die Länder –auf Basis des Paragrafen 96 BVFG! – unsere Kulturarbeit angemessen und sich fördert.

Von den auf Bundesebene zur Verfügung stehenden 2,14 Milliarden Euro im Kulturhaushalt ist unsere Arbeit dieser Bundesregierung etwa ein Hundertstel – 20,7 Millionen Euro wert – soviel hat sie für die Kulturförderung der Deutschen Heimatvertriebenen Aussiedler und Spätaussiedler über ein Drittel unserer Gesellschaft heute übrig.

Diese Mittel können nicht im Ansatz die nötigen Kulturprojekte anschieben, geschweige denn substanziell unterstützen, die erforderlich sind, um die Kultur aller historischen deutschen Landschaften zu sichern und abzudecken.

Um dem die Krone aufzusetzen, werden diese Mittel, meine Damen und Herren, von unserer Bundesregierung für die Zukunft weiter gekürzt, um eine Million auf nur noch 19,7 Millionen Euro.

Auch wenn wir, wie bereits betont, für eine grenzüberschreitende, kulturverbindende Arbeit stehen; auch wenn wir zum Teil aus Zentren kultureller Vielfalt stammen, so gilt unser Einsatz und auch die Zielrichtung des Kulturparagrafen doch ausdrücklich auch dem Erhalt und der Weiterentwicklung unser aller kulturellen Erbes. 

Er umfasst den ganz klaren Auftrag und den Anspruch darauf, dass wir auch in der neuen Heimat unser mitgebrachtes Brauchtum und unsere Kultur leben können. Daran halten wir fest – ohne Wenn und Aber!.

Meine Damen und Herren, liebe Gäste des Heimattages, es bleibt offen, wie die Kürzungen im Bereich der Kulturarbeit nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes, die uns auch im kommenden Jahr belasten werden, abgefedert werden können. Wir haben das Gespräch mit der amtierenden Staatsministerin Claudia Roth gesucht und ihr unsere auf die Zukunft ausgerichtete Kulturarbeit – gerade auch unter dem Aspekt der Identitätssicherung der jungen Generationen - vorgestellt. Es verwundert daher sehr, dass die Fördermittel auch nächstes Jahr weiter gekürzt werden. Und erlauben Sie mir diese Feststellung, alleine mit Sparzwängen lässt sich eine solche Kürzung jedenfalls nicht erklären.

Dankbar sind wir dafür, dass diese Bundesregierung auch in Zeiten von harten Sparmaßnahmen Haushaltsansätze zumindest im verständigungspolitischen Bereich in gleicher Höhe fortschreibt. Wir sehen darin eine Bestätigung der Notwendigkeit dieses Aspektes unserer Arbeit und dafür sage ich Ihnen liebe Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter aus dem Bundesministerium des Innern herzlichen Dank. Wir wissen das sehr zu schätzen. 

Meine Erkenntnis der letzten Monate ist, dass jedenfalls Teile der Bundesregierung und dazu zählen Sie, in diesem Fall nicht Frau Staatssekretärin, von der Arbeit der deutschen Vertriebenen und Spätaussiedler zu wenig wissen. Das Sie an unserer Seite stehen, können wir schon heute durch Ihre Teilnahme erkennen. 

Das gilt gerade auch für die Arbeit der Verbände im kulturellen Bereich. Es ist sehr schade und das wollen wir aktiv und konstruktiv, so wie der BdV unterwegs ist, für die Zukunft ändern.

Meine Damen und Herren, liebe Landsleute,

wie jedes Jahr spreche ich zum Schluss meinen ganz, ganz herzlichen Dank aus: Ihnen persönlich, sowie allen unseren Mitstreitern in den Landes- und Kreisverbänden, in den Landsmannschaften, in den Landesverbänden und den besonderen Verbänden unseres Verbandes.

Die Schicksalsgemeinschaft, die sich im Bund der Vertriebenen zusammengeschlossen hat, hält wie eh und je zusammen.

Es gibt viel zu tun, wir packen es an! Danke schön.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.