erklärt BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB:
Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler haben Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nachhaltig geprägt. Sie haben Deutschland gemeinsam mit den Einheimischen wiederaufgebaut.
Die Eingliederung der fast acht Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen in Westdeutschland und vier Millionen in der damaligen sowjetischen Besatzungszone schien für viele eine bittere Lebenserfahrung und schier unlösbare Aufgabe. Doch mit Mut, Energie und großem Leistungswillen bauten sich die Vertriebenen aus dem Nichts neue Existenzen auf. In beiden Teilen Deutschlands: Sie waren es im großen Maße, die durch ihre Arbeitskraft und Leistungsbereitschaft das „Wirtschaftswunder“ der 50er Jahre ermöglichten und damit der jungen Bundesrepublik ihre demokratische Stabilität verliehen. Sie prägten auch den Wiederaufbau im Osten, auch wenn dort ihr Schicksal über Jahrzehnte tabuisiert wurde.
Die Heimatvertriebenen konnten trotz zahlloser Widrigkeiten in allen Lebensbereichen Fuß fassen. Ob in der Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kirche, in der Kultur oder beim Sport: die Heimatvertriebenen prägten den Aufbau Deutschlands und gestalteten Politik mit.
Persönlichkeiten wie Paul Löbe (SPD) aus Schlesien, Kurt Schumacher (SPD), Rainer Barzel (CDU) aus Ostpreußen oder Erich Mende (FDP) aus Oberschlesien beeinflussten die Politik der jungen Demokratie nachhaltig. Viele mit Wurzeln im früheren deutschen Osten oder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa prägen unsere Gesellschaft noch immer! Im öffentlichen Bewusstsein ist dieses kaum bekannt: Der CDU Politiker Volker Kauder hat elterliche Wurzeln in der Batschka und die von Minister Sigmar Gabriel (SPD) liegen sowohl in Schlesien als auch in Ostpreußen. Der frühere Bundespräsident Horst Köhler ist Kind bessarabiendeutscher Eltern, der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen), beeinflusste als Kind einer Vertriebenenfamilie die Politik an der Spitze des Staates maßgeblich.
Unternehmer wie die Familie Merckle aus dem Sudentenland oder Beate Uhse aus Ostpreußen schufen durch ihr Engagement hundertausende von Arbeitsplätzen und gaben Nachkriegsdeutschland Impulse, die bis heute wirken. Quer durch Deutschland haben Vertriebene kleine und mittlere Unternehmen aufgebaut, die bis in unsere heutigen Tage bestand haben. Vertriebene oder ihre Nachkommen prägen auch aktuell aktiv unser Wirtschaftsleben: So beispielsweise VW Chef Martin Winterkorn, dessen Eltern ungarndeutsche Wurzeln haben. Der einflussreiche Unternehmer Reinfried Pohl, Gründer der Deutschen Vermögensberatung, stammt aus Böhmen und der Verleger Herbert Fleißner hat seine Wurzeln in Eger. Meinhard von Gerkan, aus einer deutsch-baltischen Familie stammend, gehört zu den großen internationalen Architekten Deutschlands.
Die Kulturlandschaft Deutschlands wäre ohne den Beitrag der Vertriebenen kaum denkbar. Der Komponist Michael Jary aus Oberschlesien gab dem jungen Deutschland seine Schlager, Heinz Erhard prägte als deutsch-baltisches Kind mit seinem Humor eine ganze Epoche. Der Schauspieler Armin Mueller-Stahl tut es noch immer: Er hat in Ostpreußen das Licht der Welt erblickt, wie auch der erfolgreiche Komponist Siegfried Matthus und der Schriftsteller Rüdiger Safranski. Aus Mähren stammt der Publizist, Schriftsteller und Literaturkritiker Hellmuth Karasek. Nicht nur er pflegt einen engen Kontakt in seine alte Heimat. Der jüngst verstorbene Schriftsteller Otfried Preußler wurde in Reichenberg, Böhmen, geboren, im selben Ort, wie der Maler Markus Lüpertz. Ohne die Nobelpreisträger Günter Grass aus Danzig und Herta Müller aus dem Banat wäre die deutsche Literatur ärmer.
Kinder von Vertrieben sind im öffentlichen Leben ständig präsent. Sei es im Sport oder in der Unterhaltungsbranche. So haben die Fußballtrainer Udo Lattek und Felix Magath ostpreußische Wurzeln. Die Box-Europameisterin Ina Menzer ist, wie die Sängerin Helene Fischer Russlanddeutsche. Auch eines der bekanntesten TV-Gesichter hat familiäre Wurzeln in Oberschlesien: Der erfolgreiche Entertainer Thomas Gottschalk. Und mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, einem Donauschwaben, steht, ebenso wie mit dem Schlesier Kardinal Meissner, ein Vertriebener an herausragender Position in der Katholischen Kirche. So hat nicht nur die evangelische Theologin Margot Käßmann einen Vertriebenenhintergrund: Ein Viertel aller Deutschen sind Vertriebene oder ihre Nachfahren.
Der BdV will mit seinem Leitwort 2014 ein Fenster öffnen und den Blick auf den kreativen Beitrag der Vertriebenen und ihrer Nachkommen zur Entwicklung Deutschlands lenken. Denn wer genau hinsieht erkennt: Deutschland geht nicht ohne uns!