Zwangsarbeiterentschädigung abgeschlossen

Erfolgreiche Umsetzung der Richtlinie über Anerkennungsleistung an ehemalige deutsche Zwangsarbeiter

Nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages im November 2015 über die Auszahlung einer einmaligen, symbolischen Anerkennungsleistung in Höhe von 2.500 Euro für diejenigen Deutschen, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeit leisten mussten, trat am 1. August 2016 die entsprechende Anerkennungsrichtlinie in Kraft. Mit der Sonderleistung wird das schwere Schicksal der ehemaligen deutschen Zwangsarbeiter symbolisch und finanziell anerkannt. Viele Jahre mussten die Betroffenen auf diese Entschädigung warten. Im Haushalt des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) wurden für die Jahre 2016 bis 2018 Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro und für 2019 weitere 53,85 Millionen Euro zugunsten der Entschädigung zur Verfügung gestellt. Mit der praktischen Umsetzung des jahrelangen Anliegens wurde die Projektgruppe AdZ des Bundesverwaltungsamtes (BVA) betraut. 

Schon wenige Wochen nach Inkrafttreten der AdZ-Richtlinie wurden die ersten Leistungsbescheide erteilt. Seitdem gingen monatlich mehrere Tausend Anträge auf Zahlung der Anerkennungsleistung ein. Bis Ende der Antragsfrist waren es über 46.000. Mit einer so hohen Zahl hatte das BVA nicht gerechnet, daher hatte die Bearbeitung länger als geplant gedauert. Die Antragsteller mussten bis zu zwei Jahre auf ihren Bescheid warten. Es bestand berechtigterweise die Sorge den Abschluss des Verfahrens nicht mehr mitzuerleben. Denn 97 Prozent der Antragsteller, für die Zwangsarbeit geltend gemacht wird, sind 80 Jahre und älter. 

Notwendige Rückfragen bei den Antragstellern verzögerten die Bearbeitung der Anträge und die Auszahlung der Leistung zusätzlich. Eine besondere Herausforderung stellte die Kommunikation mit den hochbetagten Antragstellern dar, da diese oft wichtige Punkte bezüglich ihres Aufenthalts im Arbeitslager nicht präzisieren konnten. Das BVA reagierte auf die Bearbeitungsverzögerungen mit einer personellen Verstärkung der Projektgruppe und einem angepassten Bearbeitungsverfahren. Unter Berücksichtigung des hohen Alters der Antragsteller wurde ein zweigleisiges Bearbeitungsverfahren angewandt. Anträge des höchsten Geburtsjahrgangs wurden von einem Teil der Mitarbeiter sofort bearbeitet. Die restlichen Anträge wurden in der Reihenfolge des Eingangs bearbeitet. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, dankte den Mitarbeitern des BVA für ihre Arbeit und lobte die „besondere Einsatzbereitschaft und Empathie der Mitarbeiter“.

Die Antragsbearbeitung wurde im September 2020 beendet. Mit Ablauf des 30. September 2020 wurden 46.892 Anträge gestellt. Von diesen sind 38.746 positiv und 6.760 negativ beschieden worden. Ablehnungsgründe waren die versäumte Ausschlussfrist am 31. Dezember 2017, das Nichteinhalten der Stichtagsregelung nach § 6 Abs. 1 AdZ-RL, die fehlende deutsche Staats- oder Volkszugehörigkeit oder keine (eigene) Zwangsarbeit. 1.341 Verfahren wurden eingestellt. 45 ADZ-Antragsverfahren standen am 30. September 2020 noch zur Bearbeitung an. Nach Angaben der Projektgruppe AdZ kommen 32.817 Antragsteller aus der ehemaligen Sowjetunion, 4.717 aus Rumänien, 3.032 aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten inkl. Polen, 1.088 aus der ehemaligen Tschechoslowakei, 1.097 aus Deutschland und 4.110 aus sonstigen Ländern. 61 Prozent der Antragsteller sind weiblich, 39 Prozent sind männlich.  

Am 14. September 2020 hat Beauftragter Fabritius ein Ehepaar aus Berlin Köpenick ins BMI zur symbolischen Übergabe der letzten beiden Anerkennungsbescheide eingeladen und damit stellvertretend dem Leid aller Betroffenen gedacht. Die Echtbescheide und die Anerkennungsleistung haben die Eingeladenen bereits vorher erhalten. Die feierliche Übergabe fand im Rahmen der letzten AdZ-Beiratssitzung statt. Damit endet die erfolgreiche Tätigkeit des sechsköpfigen Sachverständigenbeirats. 

Nach jahrzehntelangen Bemühungen der deutschen Heimatvertriebenen und der politischen Partner des BdV konnte mit der AdZ-Richtlinie ein wichtiger symbolischer Erfolg erzielt werden. Eine seit langem bestehende Gerechtigkeitslücke wurde geschlossen und das Schicksal der ehemaligen deutschen Zwangsarbeiter erfährt auf diese Weise eine symbolische und finanzielle Anerkennung. Die AdZ-Richtlinie hält die Erinnerung an das Sonderschicksal der ehemaligen deutschen Zwangsarbeiter wach. 

Wer aber sind diese Zwangsarbeiter und welche Schicksale verbergen sich hinter dem abstrakten Begriff Zwangsarbeit? Zum Ende der Antragsbearbeitung ließ der BdV die Betroffenen zu Wort kommen. Empfänger der Anerkennungsleistung erzählten von ihrem Zwangsarbeiterschicksal und was diese symbolische Geste für sie bedeutet. Wir danken allen herzlich, die uns von ihrem persönlichen Schicksal berichtet haben. Aus Platzgründen können wir an dieser Stelle leider nicht alle der zahlreich eingegangenen Erinnerungen abdrucken. 

Zwangsumsiedlung der Russlanddeutschen

Die Zwangsumsiedlung der Deutschen aus Russland begann bereits während des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1941 – unmittelbar nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion. Im Oktober/November 1941 wurde etwa jeder vierte Deutsche in die Arbeitsarmee („Trudarmee“) gezwungen. Einer davon war Johannes Weiz, 1923 in Schenthal geboren. Als er 18 Jahre alt war, wurde er mit seiner Familie nach Omsk deportiert, kurz nachdem er sein Medizinstudium in Engels beenden konnte. In Sibirien arbeitete er von Dezember 1941 bis 1947 in der Ambulanz. 840 andere Trudarmisten befanden sich mit ihm im Lager. Viele starben an Hunger und Krankheiten. Nach einem Jahr Zwangsarbeit wurde Johannes Weiz beschuldigt, unverhältnismäßig viele Lagerarbeiter krankzuschreiben. 

Wegen Sabotage stellte man ihn unter Arrest. Im Gefängnis am Nordural wurde er sechs Wochen lang täglich verhört. Nach einer internen Untersuchung konnte Johannes Weiz entlastet werden und kam zur Genesung nach Iwdel. Bis zu seiner Freilassung arbeitete er in verschiedenen Sanitätsabteilungen. 1947 kehrte er nach Omsk zu seiner Familie zurück. Heute lebt Johannes Weiz in Deutschland.

*Auch Agathe Leipi, 1926 in Neu-Orlow geboren, die 1941 nach Sibirien verschleppt wurde, verrichtete körperliche Schwerstarbeit: Auf der Kolchose musste Sie Löcher in den Fluss schlagen, aus dem Wald Holz holen, 1942 bei Tomsk Fischerei betreiben, 1945-1947 zur Harzgewinnung in die Taiga. „Das war die schwerste Arbeit meines Lebens“, sagt Agathe Leipi rückblickend. Die Arbeit sitze ihr noch heute in den Knochen. Als Pflegefall lebt sie heute bei ihrer Tochter. Einen Anerkennungsbescheid hatte sie zum Zeitpunkt ihres Berichts noch nicht erhalten.

Zweifach Vertrieben: Deutsche Zwangsarbeiter aus Rumänien 

Die Deportation der Volksdeutschen aus Rumänien begann im Januar 1945. Die Rote Armee und das sogenannte sowjetische „Volkskommissariat für innere Angelegenheiten“ (NKWD) verschleppten ca. 75.000 Angehörige der deutschen Minderheit in die Sowjetunion. Ihnen wurde eine Kollektivschuld an der „Teilnahme Rumäniens am antisowjetischen Krieg und der Besetzung Rumäniens durch Nazideutschland“ zugewiesen. Dies betraf insbesondere die Banater Schwaben, Sathmarer Schwaben und Siebenbürger Sachsen. Eingesetzt wurden die Zwangsarbeiter überwiegend in der Schwerindustrie und in Bergwerken. Die Bewohner des westlichen rumänischen Banats wurden im Juni 1951 erneut Opfer von Verschleppung, für die das rumänische Innenministerium verantwortlich war. Etwa 10.000 Deutsche wurden in die Bărăgan-Steppe deportiert, um dort auf Feldern zu arbeiten und Häuser zu bauen. Ende 1955 durften die Deportierten in ihre Heimat zurückkehren. Einige wenige Großbauern wurden noch bis August 1963 im Bărăgan festgehalten. 

Dieses Schicksal traf auch Jakob Müller, 1927 in Billed geboren. Von Januar 1945 bis Dezember 1949 leistete der Banater Zwangsarbeit im Donezbecken. Ein Jahr arbeitete er als Schuhmacher, vier weitere in der Stahlerzeugung. Die Arbeitsstelle war drei Kilometer vom Lager entfernt und musste bei -35°C zu Fuß erreicht werden. Von den 1.600 Personen im Lager sei ein Drittel verstorben, so Müller. Die Toten wurden im Winter vor der Tür „wie Brennholz aufgeschichtet“. Nachts kamen die Hunde, die die Leichen fraßen: „Jedes Mal beim Rein- und Rausgehen hat man das Bild vor Augen gehabt. Aber man hat sich daran gewöhnt. Das ist dann gar nicht mehr aufgefallen.“ Zu essen gab es Krautsuppe, 750 g Brot für die Schwerstarbeiter und 500 g Brot für diejenigen, die „leichte“ Arbeit zu verrichten hatten. Die Vorräte von zu Hause waren schnell aufgebraucht. Untergebracht waren die Zwangsarbeiter in Baracken, in denen Ungeziefer und Wanzen den Zwangsarbeitern den Schlaf raubten. Am 22. Dezember 1949 wurde Jakob Müller entlassen und kehrte nach Billed zurück. Nach der Rückkehr leistete er drei Jahre Militärdienst in Bukarest. Davon zurück in Billed fand er sein Elternhaus enteignet vor. Seine Eltern wurden unterdessen in die Bărăgan-Steppe verbannt. Jakob Müller erhielt die Anerkennungsleistung, von der er in der „Banater Post“ erfuhr. Der symbolische, wie auch der finanzielle Wert waren willkommen. „Dass man die Menschen, die so viel leiden mussten, nicht vergessen hat“, bedeutet Jakob Müller viel. 

Martha Boltres (1926-2018, siehe Foto oben), geborene Bolesch aus Nußbach im Burzenland, wurde am 13. Januar 1945 mit ihrem Bruder und vielen anderen Frauen, Männern und Jugendlichen in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit verschleppt. „Das war für unser ganzes Sachsenvolk und die Banater Schwaben der Anfang vom großen Leid.“ Martha Boltres lernte im Spätherbst 1948 in einem der Lager ihren Mann Walter Boltres, 1927 in Neustadt im Burzenland geboren, kennen. „Jeder Tag forderte mehr, als man glaubte geben zu können. Seelisch und körperlich geschwächt und brutal behandelt, hörte man auf, ein Mensch zu sein. […] Eigentlich dachte man nur noch daran, wie man einen Tag nach dem anderen überlebt“, erzählt Walter Boltres. Nach der Entlassung im Oktober 1949 folgten in Rumänien weitere schwere Jahre. Sie konnten keine schulischen oder beruflichen Ziele mehr umsetzen. „Enteignet vom gesamten Familienbesitz mussten sie auch in der fremd gewordenen Heimat wieder ums tägliche Überleben und gegen die Unterdrückung durch das kommunistische Regime kämpfen“, berichtet ihr Sohn. Familie Boltres erfuhr aus der „Siebenbürgischen Zeitung“ von der Anerkennungsleistung. Bei den Anträgen half ihnen ihr Sohn. Beide erhielten die symbolische Leistung und waren sehr dankbar dafür. Der Sohn richtet ihm Namen seiner Eltern ein großes Dankeschön dafür aus, „dass es diese AdZ überhaupt nach all den Jahren noch gab“.

Inge Weiss, in Kronstadt geboren, lebte in Reps als sie ins heutige Donezk deportiert wurde. Von Januar 1945 bis Oktober 1945 war sie im Lager Petrowka, wo sie im Kohlebergwerk arbeitete. Bei einem Unfall verletzte sie sich die Hand und konnte früher heimkehren. Die Hand ist bis heute sichtbar geschädigt. Zurück in Reps verhielten sich „Freundinnen, wie auch Bekannte, die in Reps geblieben waren, sehr zurückhaltend und unsicher“. Die Zurückgekehrten sprachen fast nie über ihr Schicksal. Die symbolische Anerkennungsleistung war anfangs noch uninteressant, da die Antragsformulare unübersichtlich und kompliziert gewesen seien. Erst mit den vereinfachten Antragsblättern entschied sich Inge Weiss dazu, einen Antrag zu stellen. Ihre Tochter Astrid Kühn erzählt: „Sie hat sich sehr über das Geld gefreut, konnte es allerdings nicht mehr so nutzen, als wenn es früher gekommen wäre.“  

*Für Maria Witthöft, 1928 in Nadesch geboren, ging es mit ihrer Schwester im Januar 1945 nach einem langen Fußmarsch im Viehwaggon Richtung Straflager. Angekommen in Krasnokams wurde Maria Witthöft mit 380 Frauen in eine Baracke am Ufer vom Kamasee einquartiert. Jeden Tag wurde von 7 bis 18 Uhr gearbeitet. Bei -40°C sägten sie Tannen im Wald. Maria Witthöft trug einen Mantel eines Soldaten, der von Kugeln durchlöchert war, dazu Filzstiefel in unterschiedlichen Größen, eine russische Soldatenmütze und eine viel zu große Hose, die sie mit einem Seil zusammenbinden musste. Ernährt haben sie sich von Kohl, Steckrüben und gesammelten Kartoffelschalen der Russen. Sichtlich geschwächt von der harten Arbeit ging es abends in die kalte Baracke. Die Kleidung blieb bis zum nächsten Morgen noch nass. Schlafen ließ es sich auch nicht gut, wegen des Hungers und den Bissen der Läuse und Wanzen, erzählt Maria Witthöft. Nach dreieinhalb Jahren wurde Maria Witthöft infolge eines Unfalls mit einem Krankentransport nach Hause gebracht. Ein halbes Jahr dauerte die Genesung daheim. „Da hat sich kein Staat um uns gekümmert, es hat sich niemand interessiert, wie es uns ergangen ist“, sagt Maria Witthöft. Von der Anerkennungsleistung hat sie aus der „Siebenbürgischen Zeitung“ erfahren und sich sehr darüber gefreut: „Ich war sehr gerührt, dass diese schwere Zeit nicht in Vergessenheit geraten ist! Danke an alle, die dazu beigetragen haben, dass diese menschenunwürdige Behandlung durch diese symbolische Anerkennungsleistung gewürdigt wird!“ 

*Anni Miess (siehe Foto oben), 1926 in Michelsberg geboren, wurde im Januar 1945 aus ihrer Heimatstadt in Siebenbürgen in die Ukraine deportiert, wo sie Zwangsarbeit leisten musste. Als die Militär- und Polizeieinheiten in ihrer Ortschaft eintrafen, unternahm sie mit einer Gruppe einen Fluchtversuch, kehrte aber aus Angst vor nachträglichen Verfolgungen zurück. Im Viehwaggon ging es dann in die ehemalige Sowjetunion. „Schreie von Kindern nach den Eltern oder umgekehrt waren unsere Wegbegleiter“, erinnert sich Anni Miess an die erschütternden Szenen, die ihr bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Unter extremsten Witterungsbedingungen halfen die Deportierten beim Wiederaufbau der Industrie- und Wohnhausruinen. Wenn der Hunger zu groß war, krochen sie unterm Stacheldraht hindurch, um bei der Zivilbevölkerung nach Essen zu betteln. Im Februar 1946 wurde Anni Miess ins Krankenhaus eingeliefert. Die extremen Lebensverhältnisse, der Hunger, das Wetter und die Schwerstarbeit machten ihr zu schaffen. Mitte Oktober 1946 wurde sie nach Frankfurt (Oder) gebracht. In Ihrer Biografie schreibt sie, wie sie sich „krank, heimatlos, arbeitslos, ohne Angehörige, Eltern, Verwandte“ durchkämpfen musste. 

*Johann Löx, 1933 in Tartlau geboren, von wo er im Dezember 1953 zur Zwangsarbeit eingezogen wurde. Als Bürger Rumäniens mit deutscher Nationalität, leistete er Schwerstarbeit an der Bahnlinie zwischen Budapest und Bukarest. Gemeinsam mit 50 weiteren Männern lebte er in einem Raum in einer Baracke in der Nähe von Hermannstadt. Im Winter wehte dort der Schnee hinein. Die Verpflegung beschreibt er sehr dürftig: Morgens gab es ein Stück Brot mit fester Marmelade, dazu einen halben Liter Enrillokaffee, mittags hauptsächlich Suppe und abends, nach schwerer Arbeit, meistens Maisbrei mit Marmelade. Für manche seiner Kameraden kamen Pakete aus der Heimat. Da seine Mutter mit vier Kindern alleine zurückblieb, bekam er keine. Heimaturlaub durfte er sich einmal nehmen, um zur Beerdigung seiner Großmutter zu fahren. Vor seiner Einberufung wollte Johann Löx mit der Ausbildung zum Tischler beginnen. Wie Johann Löx, sind auch viele andere als Jugendliche ohne Berufsausbildung verschleppt worden. Diese Menschen kehrten als unqualifizierte Arbeiter zurück. Nach der Entlassung am 01. November 1956 war es unmöglich eine Ausbildung zu beginnen, denn der damals 23-Jährige musste für die Familie Geld verdienen. Nachdem er in der Presse von der Anerkennungsleistung erfahren hat, stellte er den Antrag und erhielt die finanzielle Anerkennungsleistung dankend: „Wichtig ist nicht die Höhe der Summe, es ist eine Anerkennung über die seelische und körperliche schwere Zeit von damals.“ 

*Magdalena Michl, 1929 in Orzydorf geboren, wurde mit 15 Jahren deportiert, weil nicht genügend arbeitsfähige Leute (Männer 17-45 Jahre und Frauen 18-35 Jahre) in ihrer Ortschaft zusammengetrieben werden konnte. Reichere hätten sich aus der Verschleppung ausgekauft und so mussten auch Jüngere in die Zwangsarbeit. Magdalena Michls Mutter begleitete sie und ihren Vater freiwillig. Im Viehwaggon wurde die Familie nach Russland deportiert. „Die ersten sechs Monate verbrachten wir unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem Lager in Novo-Moskow bei Dnepropetrovsk, bestehend aus Baracken ohne Wasser und Strom. Hier mussten alle bei -40°C im Freien ausgebombte Fabriken aufräumen und Steine säubern“, beschreibt Magdalena Michl ihren Arbeitsalltag. Später arbeitete sie in einem anderen Lager in der Wäscherei, bis sie im Dezember 1946 wegen einer schweren Krankheit nach Frankfurt (Oder) transportiert wurde. Erst im Juli 1949 gelang ihr die Rückkehr in die Heimat. Die Anerkennungsleistung hat Magdalena Michl sehr begrüßt: „Ich habe es sehr wohl als symbolischen Wiedergutmachungsakt dafür verstanden, dass wir unsere Jugend für Verbrechen hergeben mussten, für die wir bestimmt nicht verantwortlich waren.“ 

*Gertrude Willhammer, geboren 1946, hat in Lenauheim (Rumänien) gelebt, als sie mit fünf Jahren mit ihrer Familie in die Bărăgan-Steppe deportiert wurde. Von Juni 1951 bis Januar 1956 verbrachte sie dort. Sie selbst musste in der Verbannung keine Zwangsarbeit leisten, ihre Eltern mussten auf dem Bau arbeiten. Die Eltern sind morgens um sechs Uhr aus dem Haus und kamen abends um 20 Uhr zurück. Getrude Willhammer und ihre ein Jahr ältere Schwester blieben währenddessen alleine daheim. Mit anderen Kindern aus der Umgebung haben sie gespielt, die Tiere gefüttert, haben eine deutsche Schule besucht und sich selbst versorgt. Gelebt hat die Familie in einer Erdhüttte. Vom rumänischen Staat erhielten sie später Holz, aus dem sie ein Haus bauten.  Um an Wasser zu kommen, musste man vier bis fünf Kilometer laufen. Nach der Entlassung ging die Familie nicht zurück nach Lenauheim, sondern zog nach Lugoj zu einer Tante. Die Umstellung war groß. Seit 1986 lebt Gertrude Willhammer in Deutschland. Die Anerkennungsleistung hat Frau Willhammer beantragt aber nicht bewilligt bekommen, da sie selbst keine Zwangsarbeit leisten musste. Der negative Bescheid war keine Überraschung für sie, aber sie wollte es dennoch probieren. Ihren verstorbenen Eltern hätte sie es aber sehr gegönnt, wie sie unter Tränen erzählt. 

*Martin Weiss, 1928 in Hohndorf geboren, leistete von Januar 1945 bis Dezember 1949 in einem Lager in Russland Zwangsarbeit. Schon Wochen vor der Deportation machte es unter den Siebenbürger Sachsen die Runde, dass Frauen (18-35 Jahre) und Männer (17-40 Jahre) zum Wiederaufbau in die Sowjetunion deportiert werden. Glauben wollte und konnte man das nicht, bis es geschah. Die Einberufenen hatten sich mit einem Handgepäck an einer Sammelstelle zu melden, von wo es dann zu Fuß zu einer elf Kilometer entfernten Sammelstelle ging. In Waggons fuhren sie in Richtung Sowjetunion. Die Fahrt dauerte 25 Tage. Nach einer gesundheitlichen Untersuchung wurden die Angekommenen verschiedenen Lagern zugeteilt. Martin Weiss arbeitete jeden Tag in der Schreinerei. Wurde der Arbeitsplan nicht eingehalten, gab es Strafen. Im Dezember 1949, als bei Martin Weiss schon keine Hoffnung mehr bestand, erfuhr er, dass er nach Hause darf. Im Dorf wurde man „wärmstens empfangen und herzlich in der Gemeinschaft aufgenommen“. 

*Anna Kreiner, 1926 in Josefsdorf geboren, wurde im Januar 1945 verschleppt und arbeitete in einer Kohlegrube. „Dort hausten wir streng bewacht in Baracken, litten unsäglich Hunger und Kälte, wurden von Ungeziefer geplagt, von der Bewachung misshandelt und mussten Schwerstarbeit leisten. Wer seine Norm nicht erfüllte, bekam nichts zu essen. Die hygienischen Verhältnisse waren schlimm, medizinische Betreuung war keine vorhanden“, erzählt Anna Kreiner über das Leben in der Verbannung. Im Februar 1946 verletzte sie sich nach dem Einsturz eines Schachtes beide Beine schwer und durfte infolgedessen als Invalidin in ihre Heimat zurückkehren. Unter den Knochenschäden leidet Sie noch heute. 

Die Deutschen im ehemaligen Jugoslawien wurden zu Feinden erklärt

Bis zu 30.000 Deutsche aus Jugoslawien wurden um die Jahreswende 1944/45 in die Sowjetunion deportiert und in Arbeitslager überführt. Etwa 16 Prozent davon kamen bereits in der Sowjetunion um. Das Lager Jarek war einer der Orte, an den man die deutschen Zwangsarbeiter verfrachtete. Hier waren bis zu seiner Schließung 1946 zwischen 15.000 und 17.000 Menschen interniert. Stefan Barth ist einer davon. Er lebte in Alt-Futok (Kreis Novi Sad), als er mit seiner kleinen Schwester, seinen Eltern sowie Großeltern im Dezember 1944 in das Lager kam. Er selbst war erst sieben Jahre alt. Zu seinen Aufgaben gehörten das Hüten der Kühe, Schafe und Schweine. Diese Arbeit verrichtete Stefan Bart barfuß, weil er keine Schuhe hatte. Später war er für das Essen der anderen Arbeiter verantwortlich. „Die Arbeiten waren für meine Eltern und Großeltern schwer, dauerten von früh bis spät am Tag und waren mit Schikanen verbunden“, berichtet Stefan Barth. Später kam die Familie zur Zwangsarbeit in die Kohlegrube Tresibaba Podvis bei Knjaževac in Südserbien. Das Haus, das sie bewohnten, war 18 m2 groß, mit Küche und Schlafzimmer ausgestattet. Die Verpflegung sei schlecht gewesen und schwächte die Zwangsarbeiter zusätzlich. Viele Freunde von Stefan Barth starben. Die Anerkennungsleistung hat Stefan Barth als „Wiedergutmachung Deutschlands für das erlittene Leid, Unrecht und die Verluste“ verstanden. 

Tschechoslowakei: Internierung und Zwangsarbeit der Sudetendeutschen 

Die tschechoslowakische Regierung errichtete ein Lagersystem, das aus Internierungslagern, Arbeitslagern und Spezialgefängnissen bestand. Hier wurden 350.000 Deutsche eingesperrt und mussten Zwangsarbeit leisten. Im ersten Jahr nach Kriegsende hießen diese Lager noch Konzentrationslager und wurden auch als solche geführt. Es herrschten Hunger, Gewalt, völlig unzureichende hygienische Verhältnisse, eine mangelnde medizinische Versorgung und eine hohe Sterblichkeit. 1955 endete die Internierung deutscher Zwangsarbeiter in der Tschechoslowakei. 

Gottfried König lebte in Römerstadt im Altvatergebirge, als er in ein solches Konzentrationslager nach Ungarisch Hradisch gebracht wurde. Mit seiner Mutter musste er in Buchlowitz auf einem Bauernhof Zwangsarbeit leisten. Eingesetzt wurden sie zum Holzfällen und in der Landwirtschaft. Später konnten Gottfried König und seine Mutter nach Römerstadt zurückkehren. „Leider hat meine Mutter die Entschädigung nicht mehr erlebt“, bedauert Gottfried König. „Für mich war es ein ganz klein wenig Entschädigung für das angetane Unrecht.“ 

*Wilhelm Jahn, 1934 in Olmütz geboren, wurde im Mai 1945 mit seiner Mutter und seinen drei jüngeren Geschwistern auf Anordnung des „Národní Výbor“ (deutsch: National-Ausschuss) im Sammellager Olmütz-Hodolein interniert. Dort wurde er aufgrund seines Alters von seiner Familie getrennt. Auch sein Vater wurde in diesem Lager untergebracht. Zu den wechselnden Tätigkeiten gehörten Kalk abschlagen, Kartoffeln schälen, Rüben vereinzeln, Aufräumarbeiten und Pflanzen an Eisenbahngleisen ausreißen. Bis zur Entlassung aus dem Lager arbeitete er bei einem Trupp. „Die Arbeitsbedingungen dort waren annehmbar und die Soldaten - bis auf eine Ausnahme - menschlich, mir gegenüber teilweise sogar freundlich, weil ich perfekt tschechisch gesprochen habe.“ Wilhelm Jahn berichtet: „Einmal hat eine Mutter zu einem Mitinsassen bei einer Unterhaltung am Lagertor gesagt, ihr wäre gesagt worden, wir kämen da nie mehr heraus, worauf wir alle geheult haben. Unter uns Deutschen herrschte allgemein eine große Atmosphäre der Angst.“ Eine Verweigerung der Arbeit sei undenkbar gewesen. Seine Arbeit als Zehnjähriger war unzulässig, wie Wilhelm Jahn heute weiß, da eine Arbeitspflicht nach § 2 Abs. 1 des Beneš-Dekrets Slg. Nr. 71 vom 19.09.1945 erst ab dem 14. Lebensjahr bestand. Am 30. Juli 1945 wurde er aus dem Lager entlassen und ging zurück nach Olmütz-Powel. Dort erhielt er seinen Arbeitsausweis (siehe Abbildung oben) und wurde erneut zur Zwangsarbeit herangezogen. Er musste Ziegel von eingerissenen Mauern auf einen Wagen tragen, nach Alt-Powel ziehen und dort wieder abladen. Von der schweren Arbeit hat Wilhelm Jahn gesundheitliche Schäden davongetragen. Aus den Olmützer Blättern erfuhr er von der Anerkennungsleistung für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter und stellte im Dezember 2017 den Antrag. Im Oktober 2019 bekam Herr Jahn die erfreuliche Nachricht, dass seinem Antrag stattgegeben wurde.

Erinnerung an die Heimat in Ostpreußen

Im Oktober 1944 marschierte die Rote Armee in das östlichste Gebiet des Deutschen Reiches ein. Damit begannen Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen. Gezwungen, sein Zuhause zu verlassen, war auch Arno Scheffler, 1935 in Marienthal geboren. Mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern wurde er 1944 von der Roten Armee gefangen genommen. Arno Scheffler (siehe Foto "Keramiksuppenteller, oben) kam zunächst auf verschiedenen Bauernhöfen unter. Hungern musste er während seiner Arbeit als Hof-, Feld- und Ackerknecht nicht. Anders sei es in der Zeit kurz nach der Gefangennahme bis Februar 1945 gewesen. Nach der Freilassung wurde die Familie im Spätsommer 1948 als „Umsiedler“ aus der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik in die Sowjetische Besatzungszone gebracht. Die nächsten Wochen verbrachten sie in Bobbau (Kreis Jesnitz), bis die Familie gemeinsam bei Oschersleben die Grenze überquerte. In der Schule wurde Arno Scheffler als „Russe“ und als „Kaschube“ beschimpft. Nach einem Jahr und acht Monaten Wartezeit erhielt Arno Scheffler die Anerkennungsleistung, die „höchstens ein symbolischer Akt“ sei – in Anbetracht der vier Jahre Arbeit ohne Lohn. 

Das tragische Schicksal der Wolfskinder 

Wolfskinder sind deutsche Säuglinge, Kinder oder Jugendliche hauptsächlich aus Ostpreußen, deren Eltern in Arbeitslager verschleppt wurden. Diese Kinder flüchteten ins benachbarte Litauen, wo sie als Bettler durch das Land zogen; ohne Unterkunft, Nahrung oder schulische Bildung. Einige litauische Familien nahmen Wolfskinder bei sich auf und ließen sie dafür Arbeiten im Stall, Haus oder draußen verrichten. „Sie haben litauische Namen und Geburtsänderungen erhalten, alles Deutsche war von da an weg“, erzählt Ursula Dorn, selbst ein Wolfskind. Ursula Dorn hat sich gemeinsam mit der Gesellschaft für bedrohte Völker darum bemüht, dass Wolfskinder bei der Anerkennungsrichtlinie berücksichtigt werden. Der Beirat zum Vollzug der Richtlinie für die Anerkennungsleistung an ehemalige Zwangsarbeiter ermutigte die Betroffenen einen Antrag zu stellen, wies aber darauf hin, dass „eine Anerkennungsleistung nicht für das Wolfskinder-Schicksal als solches, sondern allein für das besondere Kriegsfolgenschicksal der von den Wolfskindern abverlangten Zwangsarbeit erfolgen kann“. 

*Johanna Rüger erhielt die Anerkennungsleistung für ihre Zwangsarbeit in Weedern. Dort lebten so viele Menschen auf einem Haufen, dass schnell Seuchen ausbrachen, erzählt sie. Im November 1949 wurde sie nach Ströpken gebracht. Zu essen gab es nur ein Stück Brot am Tag. „Der Alltag machte uns krank, im Denken und Handeln“. Als die Wolfskinder aus den Häusern in Ströpken gejagt wurden, hausten sie in alten Eisenbahnwaggons. Zurückkehren konnte Johanna Rüger erst vier Jahre später. Die symbolische Anerkennungsleistung hat eine große Bedeutung für sie: „Endlich, endlich dürfen auch wir das Erlebte erzählen und erkennen erst im Alter: Wir sind nicht schuld!“ 

Bruno Roepschläger (siehe Foto oben), 1937 in Groß Hoppenbruch geboren, ist nach dem Krieg zum Waisenkind geworden. Er entschied sich, mit anderen Kindern nach Litauen zu gehen. Da die Kinder weder litauisch noch russisch sprachen oder verstanden, hatten sie große Schwierigkeiten in der neuen Umgebung zurechtzukommen. Die Kinder halfen den Bauern, bei denen sie unterkamen, beim Holzhacken, Viehfüttern und Saubermachen. Bruno Roepschläger lernte in den drei Jahren die litauische Sprache, verlernte aber gleichzeitig seine Muttersprache. Die Anerkennungsleistung sei keine Entschädigung für das, was sie wegen dem Krieg verloren haben: „Keine Millionen können unseren Schmerz beruhigen!“ Dafür, dass die Wolfskinder berücksichtigt wurden und Beachtung finden, ist Bruno Roepschläger aber sehr dankbar.

Leistungsempfänger aus Ungarn über ihr Zwangsarbeiterschicksal

Aus Ungarn wurden etwa 35.000 Deutsche zum Wiederaufbau in die Sowjetunion verschleppt. Die Deportation begann zu Weihnachten 1944 und dauerte bis Ende Februar 1945 an. Mehr als 9.000 davon starben aufgrund von Unterernährung, Krankheit und unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Zahl der heute in Ungarn verbliebene Deutschen wird auf 200.000 Personen geschätzt. Durch die deutschen Auslandsvertretungen und über Organisationen der deutschen Minderheit vor Ort erfuhren die Betroffenen von der Anerkennungsrichtlinie. Die ehemaligen deutschen Zwangsarbeiter aus Ungarn wurden von den örtlichen Nationalitätenselbstverwaltungen ausfindig gemacht und über die AdZ-Richtlinie informiert. Beim Ausfüllen der Formulare und beim Übersetzen der offiziellen Dokumente unterstützten die Nationalitätenselbstverwaltungen die Anspruchsberechtigten tatkräftig. So auch Anna Halbich aus Újpetre, die inzwischen leider verstorben ist. Sie machte von der Hilfe durch die deutschen Selbstverwaltungen in Ungarn Gebrauch. In Grozny musste Anna Halbich Öl- und Gasrohre aus dem Boden ausgraben und später wurde sie für landwirtschaftliche Arbeiten eingesetzt. 13 Monate war sie in einem Lager in Krosnik, wo sie unter Kälte und Hunger arbeitete. 25 Menschen „wohnten“ dort zusammen in einem Erdloch. Im Dezember 1945 wurde Anna Halbich wegen Typhus entlassen. Als sie in ihr Dorf zurückkehrte, warteten sehr viele Menschen. „Man hatte Mitgefühl“, schreibt sie. In der Nachkriegszeit hatte Anna Halbich zu leiden: „Alles hat man uns weggenommen: Mais, Weizen, Tiere und auch das Feld.“ Die erhaltene Anerkennungsleistung teilte Anna Halbich unter ihren Enkeln, Urenkel- und Ururenkelkindern auf. 

*Bankó Béláné, die Tochter der leider bereits verstorbenen Maria Pfeifer, erzählt von der Zwangsarbeit in Gorlowka. Die Menschen mussten landwirtschaftliche Arbeiten und Verladungen erledigen. „Es war harte körperliche Arbeit“, schreibt Bankó Béláné. Nach der Rückkehr konnten sie nicht über ihre schwere Zeit während der Zwangsarbeit sprechen, auch der Staat habe sich erst in den 1990er Jahren damit befasst, bedauert Bankó Béláné. Von der Anerkennungsleistung hat sie durch die Presse erfahren. Durch die Anerkennungsleistung haben die Betroffenen „ihre Ehre und Menschlichkeit wiedererlangt“, beschreibt Bankó Béláné die Bedeutung dieser Anerkennung. Mit dem Geld will die Familie den Grabstein der Mutter renovieren.  

*Frau Szenácz-Kuszter stellte als hinterbliebene Tochter von Helena Kuszter den Antrag. Ihre Mutter lebte im Dorf Kiskassa in Ungarn als sie im Dezember 1944 zur Zwangsarbeit nach Grozny deportiert wurde. Dort blieb Helena Kuszter zwei Jahre, bis sie 1946 nach Oktyabrszkij gebracht wurde. Im November 1949, wenige Monate nach der Geburt ihrer Tochter, durfte sie nach Ungarn zurückkehren. Man begegnete ihr mit Mitgefühl. Der Staat hingegen sei weniger verständnisvoll gewesen: „Man hat verboten, dass wir darüber sprechen.“ 

*Zsuzsanna Muth aus Pécsdevecser lebte im Dorf Áta als sie mit 17 Jahren im Januar 1945 im Eisenbahnwaggon nach Russland deportiert wurde. Dort arbeitete sie in Kohlegruben und auf der Kolchose. 1946 stürzte die Kohlegrube Karakovska ein, in der sie arbeitete. Danach verrichtete sie ein Jahr lang Stall- und Feldarbeit in Katikovska. Ihre letzte Station war erneut unter Tage. Im August 1949 kam sie in ein Sammellager, von wo sie die Rückfahrt nach Ungarn antrat. „Ich bin froh, dass man anerkennt und in Erinnerung hält, dass wir als unschuldige Opfer schwer leiden mussten“, schreibt die Ungarndeutsche.

Menyhértné Schauermann (siehe Foto oben), 1923 in Hidas geboren, wurde im Dezember 1944 nach Donbass in das Lager 1030 deportiert. Dort arbeitete sie in der Offiziersküche, später im Bergwerk. Ohne Informationen über Mann, Kind und Eltern war besonders die Anfangszeit schwer zu ertragen. Hunger, Kälte und harte Arbeit bestimmten das Leben. Später bekam man Lohn für die Arbeit und konnte sich so Essen kaufen, „aber die Sehnsucht nach Familie und Heimat blieb brennend schmerzhaft“. Der Alltag war eintönig. Wenn sie nicht arbeitete, war sie in der Baracke zusammen mit 40 weiteren Frauen. Manchmal konnte sie die Zivilbevölkerung besuchen. Nach mehreren schweren Arbeitsunfällen wurde sie 1948 nach Ungarn heimtransportiert. Nach der Rückkehr kam Menyhértné Schauermann bei ihrem Bruder und ihrer Mutter unter, die Haus und Hof verlassen mussten und eine andere Wohnung im Dorf bewohnten. Dort sah sie auch endlich ihren Sohn wieder, den sie 1941 zur Welt gebracht hatte. Von der Anerkennungsleistung erfuhr sie von mehreren Stellen: Von Bekannten aus Deutschland, vom deutschen Konsulat in Pécs und dem Verband der Branauer Deutschen Selbstverwaltungen Pécs. Für die Anerkennungsleistung ist sie sehr dankbar: „Diese Summe ist in Ungarn schon nennenswert. Ich fand sie als eine sehr wohltuende Geste.“ 

*Am 2. Januar 1945 wurden 47 Personen aus dem ungarischen Dorf Iklad zur Zwangsarbeit in den Donbass deportiert. Darunter waren Frau Bartha Sámuelné (13.10.1924 – 06.01.2018), geborene Zsuzsanna Mayer; Frau Kaizer Pálné (5.11.1926 – 19.06.2020), geborene Terézia Braun und Herr József Blaubacher, geboren im Jahr 1927. Die mittlerweile verstorbenen Frauen verbrachten ihr ganzes Leben in der Siedlung, József Blaubacher lebt noch heute dort. Die deutsche Nationalitätenselbstverwaltung Iklad berichtet von den Schicksalen dieser Personen.

Die drei Betroffen aus Iklad kamen für die ersten zehn Monate in ein Lager in Kalinovka, wo sie in einer Fabrik arbeiten mussten. Sie waren für die Reinigung der Fabrik und für das Entladen der ankommenden Materialien zuständig. In den Sommermonaten arbeiteten die Frauen in der Landwirtschaft. Im Oktober 1945 wurden sie nach Trudovskaya deportiert. Sie meldeten sich freiwillig für Bergbauarbeiten – in der Hoffnung auf eine bessere Versorgung und bessere hygienische Verhältnisse. Im Bergbau gab es drei Mahlzeiten am Tag und mehr Brot. Dennoch herrschte ständig Hunger. Zum Frühstück gab es etwas Teeähnliches, zum Mittagessen Brennnessel-, Grütze- oder Gurkensuppe, zum Abendessen erneut etwas Teeähnliches. Der Alltag sei eintönig gewesen. Einen Tag in der Woche hatten die Zwangsarbeiter frei. An ihrem freien Tag gingen sie ins Dorf, um sich etwas Essen dazuzuverdienen. Die erhaltenen Lebensmittel teilten sie sich mit den Lagerbewohnern. Wenn sie am Sonntag frei hatten, gingen sie in die Kirche und erhielten nach der Messe einen Maiskuchen. Unter einem der Aufseher hatten die Zwangsarbeiter sehr zu leiden. Er schrie ständig, zwang sie ohne Pause zu arbeiten und missbrauchte sie. Eine andere Aufseherin hingegen versuchte die Situation so angenehm wie möglich zu machen und ließ die Zwangsarbeiter auch ausruhen. Damit die Inspektion sie nicht dabei erwischte, stellte sie einen Wachmann auf. Um die Arbeitsnorm trotzdem zu erfüllen, korrigierte sie die Arbeitsleistung nach oben. Monatlich konnten die Zwangsarbeiter zur ärztlichen Untersuchung. Diejenigen, die zu krank geworden waren, wurden mit dem nächsten Transport nach Hause geschickt. So konnte auch Frau Bartha Sámuelné im Januar 1947 infolge einer Verbrennung an den Füßen zurück nach Iklad. Zu der Verletzung kam es, als sie an einem kalten Wintertag mit ihren durchnässten Schuhe auf glühende Asche trat. Alle drei Betroffenen erhielten die Anerkennungsleistung in Höhe von 2.500 Euro und gaben diese an ihre Kinder oder an Verwandte weiter.

Ihre Heimat wurde ihnen gewaltsam genommen und eine neue Heimat zu finden und sich in ihr zurechtzufinden, war für die Vertriebenen keineswegs einfach. Trotz der selbst erlittenen Gewalt und Rache haben die Heimatvertriebenen mit ihrer Charta Frieden mit den Völkern Europas geschlossen und darin den Verzicht auf Rache und Vergeltung erklärt. Damit haben sie für ein bisschen mehr Frieden im Nachkriegsdeutschland gesorgt und einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung geleistet. In diesem Jahr feiert die Charta der Heimatvertriebenen ein besonderes Jubiläum: Den 70. Jahrestag ihrer Verkündung. Nicht zuletzt dem Einsatz der deutschen Heimatvertriebenen haben wir es zu danken, dass wir heute in einem versöhnten und friedlichen Europa leben. 

Xenia Buchholz

(Der Beitrag erschien in DOD - Deutscher Ostdienst  Nr. 5/2020. Die mit * gekennzeichneten Zeitzeugenberichte sind für die Internet-Veröffentlichung ergänzt worden.)