Zwangsarbeiterentschädigung wird umgesetzt

Bemühungen des Verbandes endlich erfolgreich

Am 1. August 2016 ist mit der Umsetzung der „Richtlinie über eine Anerkennungsleistung an ehemalige deutsche Zwangsarbeiter“ (AdZ-Anerkennungsrichtlinie) begonnen worden, die der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2016 beschlossen hatte. Dem voraus ging am 27. November 2015 die Verabschiedung des Bundeshaushaltsgesetzes für 2016, im Zuge derer nach Jahren intensiven Einsatzes vieler engagierter Mitstreiter aus den Reihen des Bundes der Vertriebenen und seiner Gliederungen endlich der Weg für eine offizielle Anerkennung und eine symbolische Wiedergutmachung des Sonderschicksals ziviler deutscher Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter frei wurde.

Der Bund der Vertriebenen hat mit Pressemitteilungen seines Präsidenten Dr. Bernd Fabritius MdB, mit Artikeln sowie mit Newslettern regelmäßig über den Fortgang der Sache berichtet und bietet auf seiner Internetseite einen eigenen Überblick über das Thema und die Antragsmodalitäten.

Um den Anerkennungsbetrag in Höhe von einmalig 2.500 Euro zu erhalten, sind entsprechend der Richtlinie folgende Eckpunkte zu beachten: Leistungsberechtigt sind noch lebende Personen, die zwischen dem 1. September 1939 und dem 1. April 1956 als Zivilpersonen wegen ihrer deutschen Staats- oder Volkszugehörigkeit für eine ausländische Macht Zwangsarbeit leisten mussten. Daraus ergibt sich, dass die Entschädigung auch an betroffene Deutsche in den ehemaligen deutschen Ost- bzw. Siedlungsgebieten gezahlt werden kann. Diese Betroffenen können sich in den jeweiligen deutschen Auslandsvertretungen sowie bei den Organisationen der deutschen Minderheiten vor Ort über die Anerkennungsleistung informieren und dort ihre Anträge stellen. Hinterbliebene Ehegatten oder Kinder können die Anerkennungsleistung nur dann erhalten, wenn der Betroffene selbst nach dem 27. November 2015, also nach dem Bundestagsbeschluss, verstorben ist. BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB hat speziell zu dieser Zusage erklärt, sie sei absolut notwendig im Hinblick auf das hohe Alter der noch lebenden Zwangsarbeiter. Ebenfalls begrüßte Fabritius die Nachricht, dass die Anerkennungsleistung nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden soll, da der Zweck dieser einmaligen Sonderleistung ein anderer sei als der mit einer Grundsicherung verfolgte Zweck.

Den schriftlich auf amtlichen Formularen einzureichenden Anträgen sind folgende Dokumente beizulegen: Als Nachweis, dass der Antragsteller noch am Leben ist, soll eine aktuelle Meldebescheinigung bzw. eine amtliche Bestätigung der Angaben zur Person beigelegt werden. Eine beglaubigte Abschrift des Passes, des Personal- bzw. des Staatsbürgerschaftsausweises, des Vertriebenenausweises oder der Spätaussiedlerbescheinigung oder einer anderen amtlichen Urkunde ist für den Nachweis der Staats- bzw. Volkszugehörigkeit notwendig. Auch die Zwangsarbeit soll durch geeignete Dokumente nachgewiesen werden. Hiermit sind insbesondere Entlassungsbescheinigungen oder ähnliche Papiere gemeint. Von Hinterbliebenen wären außerdem beglaubigte Kopien der jeweiligen Geburtsurkunde, Heiratsurkunde oder Sterbeurkunde einzureichen.

Bis spätestens 31. Dezember 2017 müssen die Anträge bei der mit der Umsetzung betrauten Behörde, dem Bundesverwaltungsamt (BVA), Außenstelle Hamm, Alter Uentroper Weg 2, 59071 Hamm, eingegangen sein. Das BVA hat unter www.bva.bund.de/zwangsarbeiter eine Internetseite eingerichtet, auf der in verschiedenen Sprachen über die Antragstellung informiert und auf der die notwendigen Formulare zum Herunterladen bereitgehalten werden. Betroffene, die keinen Zugang zum Internet haben, können sich die Unterlagen auch postalisch zusenden lassen. Telefonisch ist das BVA unter der Nummer +49 (0)228 99358-9800 erreichbar. E-Mails können an folgende Adresse gerichtet werden: AdZ@bva.bund.de. Gerne beantwortet auch die BdV-Bundesgeschäftsstelle Fragen zur AdZ-Anerkennungsrichtlinie.

Wichtiges Arbeitsfeld des Verbandes über Jahrzehnte

Für den Bund der Vertriebenen, das haben Dr. Fabritius und seine Amtsvorgängerin Erika Steinbach MdB über Jahre betont, war das Schicksal deutscher Zwangsarbeiter auch in jener Zeit ein innerverbandlich wichtiges Arbeitsfeld, als über eigene Opfer des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges noch überwiegend geschwiegen wurde. Die dringend erforderliche Aufarbeitung des absoluten Zivilisationsbruches in Form des Holocaust erschwerte eine ebenfalls notwendige Bewältigung des selbst erfahrenen Unrechts, zu der Vertreibung, Verschleppung, Vergewaltigung und Zwangsarbeit zählen. Erst in den 1990er Jahren begann eine breitere Öffentlichkeit, sich für die fortdauernden Traumata deutscher Kriegsopfer zu interessieren.

Freya Kliers Dokumentarfilm „Verschleppt bis ans Ende der Welt“ aus dem Jahr 1993 ist eines der ersten Aufarbeitungsprojekte jener Zeit und nimmt gezielt das Schicksal deutscher Frauen in den Blick, die gegen Kriegsende misshandelt, nach Sibirien deportiert und dort zur Arbeit gezwungen wurden. Gemeinsam mit Zeitzeuginnen hat sich Klier damals auf Spurensuche gemacht und die Frauen mit sehr viel Fingerspitzengefühl dazu gebracht, sich mit den Erinnerungen an das Leid der Verschleppung auseinanderzusetzen. Ihr 1996 erschienenes, gleichnamiges Buch erweitert die Darstellung um weitere Deportationsschicksale. Auch für die Aufarbeitung dieser Menschenrechtsverletzungen wird die Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen Freya Klier am 6. November 2016 in der Frankfurter Paulskirche den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis verleihen.

Aufsehen erregte auch das 1998 erschienene Buch „Die Rache der Opfer“, in der die Publizistin Helga Hirsch das Los der zivilen Bewohner der heute zu Polen gehörenden deutschen Ostgebiete thematisiert, die nicht vor dem Vormarsch der Roten Armee geflohen waren und die nach dem Krieg in ihrer Heimat als feindliche Elemente galten. Waren sie nach der Enteignung nicht von Vertreibungen betroffen, wurden sie häufig interniert und zur Zwangsarbeit herangezogen. Neben Einzelschicksalen und Familiengeschichten verarbeitet Hirsch in ihrer Darstellung auch lange unter Verschluss gehaltene Dokumente des polnischen Sicherheitsdienstes.

Diese ehrlichen Aufarbeitungsversuche der 1990er Jahre mögen u.a. dazu geführt haben, dass um die Jahrtausendwende immer mehr Zeitzeuginnen und Zeitzeugen begannen, ihr Schweigen zu brechen. Frauen, die von ihrem Leidensweg berichten oder miteinander darüber sprechen wollten, fanden persönliche Unterstützung vor allem beim Frauenverband im Bund der Vertriebenen. Von dort kamen einige wichtige Impulse für die wissenschaftliche Erforschung des Themas. Stellvertretend für die vielen weiteren Initiativen aus den Reihen des BdV und seiner Mitglieder sei außerdem an die regelmäßigen Resolutionen des Bundesverbandes sowie an die Arbeit des „Arbeitskreises deutsche Zwangsarbeiter“ (AKDZ) erinnert, der in großer Akribie mehrere tausend Namen ehemaliger deutscher Zwangsarbeiter sammelte und sie dem Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth übergab. Mancherorts wiederum organisierten sich Zeitzeugen in eigenen Vereinen und geben bis heute ihre Erfahrungen mittels Vorträgen an Schulen oder in Einrichtungen der Erwachsenenbildung weiter.

Für das besondere Schicksal der sehr früh von Deportation und Zwangsarbeit betroffenen Deutschen aus Russland sensibilisierte etwa die „Chronistin der Russlanddeutschen“ Nelly Däs, u.a. mit ihrer 2003 erschienen Erzählung „Das Mädchen vom Fährhaus“. Rund 85 Prozent der deutschstämmigen Sowjetbürger wurden bereits aufgrund des am 28. August 1941 veröffentlichten Stalin-Erlasses ihrer Heimat beraubt. In fast allen Familiengeschichten finden sich Opfer von Zwangsarbeit in der Trudarmee oder in den Gulags.

Meilenstein "Atemschaukel"

Der bislang wichtigste Meilenstein in der literarischen Darstellung von Zwangsarbeit ist zweifellos Herta Müllers 2009 erschienener Roman „Atemschaukel“. Selbst als Rumäniendeutsche im Banat geboren, arbeitet sie in ihrem Buch auch die Erinnerungen des Hermannstädter Lyrikers und späteren Georg-Büchner-Preisträgers Oskar Pastior auf, der nach dem Zweiten Weltkrieg das Schicksal so vieler deutschstämmiger Rumänen teilte und in ein sowjetisches Arbeitslager verschleppt wurde. Für Inhalt und Sprachmacht wurden Buch und Autorin 2009 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Auch die Umsetzung wird eng begleitet

Diese Aufzählung einzelner Bedingungen, die im Gefüge sicher entscheidend dazu beigetragen haben, die offizielle Anerkennung und die symbolische finanzielle Entschädigung des Zwangsarbeiterschicksals deutscher Zivilpersonen voranzutreiben, muss knapp und unvollständig bleiben. In früheren Veröffentlichungen wurde das Engagement vonseiten der verlässlichen politischen Partner des BdV umfassend gewürdigt. Auch deren Einsatz hat das wachsende Verständnis für dieses Sonderschicksal und einen letztlich mehrheitsfähigen politischen Antrag ermöglicht.

Führt man sich jedoch nochmals vor Augen, dass wir uns im 75. Jahr nach dem Stalin-Erlass zur Deportation der Wolgadeutschen bewegen, im 71. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und im 60. Jahr nach dem Ende des anerkennungsfähigen Zeitfensters laut der AdZ-Richtlinie, so wird deutlich, wie viel Nachholbedarf die deutsche Gesellschaft in der Aufarbeitung auch dieses Massenschicksals noch immer hat.

Dr. Fabritius hatte zum Beschluss der Anerkennungsrichtlinie erklärt: „Der Bund der Vertriebenen wird die Umsetzung der Richtlinie eng begleiten, um sicherzustellen, dass diese … sachgerecht und zügig erfolgt.“ Vor dem skizzierten Hintergrund haben seine Worte durchaus auch einen mahnenden Beiklang.

Marc-P. Halatsch
(Der Beitrag erschien im DOD – Deutscher Ostdienst, Nr. 4/2016)


Massenphänomen der Unmenschlichkeit

Millionen Deutsche mussten Zwangsarbeit leisten

Zum Jahresende 2015 hat der Deutsche Bundestag endlich die Grundlage für eine humanitäre Geste für zivile deutsche Zwangsarbeiter geschaffen und damit eine langjährige Forderung des Bundes der Vertriebenen (BdV) aufgegriffen. Mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat die Erkenntnis Platz gegriffen, dass das Schicksal der deutschen Zwangsarbeiter kein allgemeines Kriegsfolgenschicksal war, sondern sich hauptsächlich im Osten Deutschlands und den Siedlungsgebieten der Deutschen unter dem Machteinfluss der UdSSR und ähnlicher Systeme vollzog. Nach dem Bundestagsbeschluss sollen „ehemalige deutsche Zwangsarbeiter, die als Zivilpersonen aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit während des Zweiten Weltkriegs und danach zur Zwangsarbeit herangezogen wurden“, einen einmaligen Anerkennungsbetrag erhalten. So sollen in den kommenden drei Jahren insgesamt 50 Millionen Euro eingesetzt werden. Für 2016 sind 20 Millionen Euro, für die Jahre 2017 und 2018 jeweils 15 Millionen Euro Entschädigungsmittel eingeplant.

Wer aber sind diese Zwangsarbeiter, was ist eigentlich Zwangsarbeit und welche Schicksale stehen dahinter? Deshalb soll an dieser Stelle nochmals an die wichtigsten – vor allem historischen – Aspekte der Zwangsarbeit erinnert werden.

Definitionen

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die damit beauftragt ist, soziale Gerechtigkeit, Menschen- und Arbeitsrechte zu befördern, hat den Begriff der Zwangsarbeit bereits 1930 definiert. Diese von der internationalen Staatengemeinschaft akzeptierte Definition beschreibt als „Zwangs- oder Pflichtarbeit jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.“ Diese Definition erfasst alle Falle von Zwangsarbeit unter körperlichen und psychischen Extrembedingungen sowohl in Verbindung mit Lagerhaft als auch außerhalb von Lagern. Von Zwangsarbeit nach dieser Definition waren 1947 rund vier Millionen Deutsche europaweit betroffen. Allerdings waren darunter auch viele Kriegsgefangene, um die es bei den jetzt im Raum stehenden Entschädigungszahlungen nicht geht. Symbolisch entschädigt werden sollen ausschließlich Zivilpersonen, die aufgrund ihrer deutschen Staats- oder Volkszugehörigkeit zur Zwangsarbeit herangezogen wurden. Dabei wurden vor allem wirtschaftliche Aspekte als Begründung für Zwangsarbeit genannt: Sie sollte als Reparation für von Deutschen verursachte Kriegsschäden oder dem Wiederaufbau zerstörter Gebiete dienen. Neben der Zwangsarbeit schlug den Deutschen Hass und Vergeltung als Antwort auf die Gräueltaten der NS-Diktatur entgegen.

Rumänien

Die Rote Armee und der sowjetische Geheimdienst NKWD verschleppten direkt nach der Eroberung der historischen deutschen Ost- und Siedlungsgebiete unzählige Zivilisten. In Rumänien hatte die Deportation im Sathmarer Gebiet bereits im Januar 1945 begonnen und fand nach wenigen Wochen ihren Abschluss. Am Ende waren zwischen 70.000 und 80.000 Menschen in die Sowjetunion deportiert worden, wo sie in der Schwerindustrie und in Bergwerken des Donezkbeckens um Stalino und Woroschilowgrad Zwangsarbeit leisten mussten. Betroffen davon waren etwa 5.000 Sathmarer Schwaben, 30.000 Siebenbürger Sachsen und 33.000 Banater Schwaben. Die Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa nennt eine Verlustquote von „nahezu 15%“, etwa 10.000 Menschen kehrten nicht zurück. Noch nicht berücksichtigt ist hier die Deportation in die Bărăgan-Steppe, der noch 1951 etwa 40.000 Menschen zum Opfer fielen, darunter knapp 10.000 Personen deutscher Volkszugehörigkeit. Die rumänische Führung wollte damit den Widerstand gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft in Rumänien brechen und die Urbarmachung des ungenutzten Steppenbodens erreichen.

Jugoslawien

Die zur Zwangsarbeit in der Sowjetunion bestimmten Deutschen aus Jugoslawien wurden um die Jahreswende 1944/45 deportiert. Ziele waren zumeist das Industrierevier im Donezkbecken, wo die Deportierten in Arbeitslager überführt wurden. Insgesamt handelte es sich um etwa 27.000 bis 30.000 Menschen von denen etwa 16% bereits in der Sowjetunion umkamen, „die Mehrzahl der Überlebenden“, so heißt es in der Dokumentation der Vertreibung der Deutschen, „wurde durch Krankheiten und Entbehrung physisch gebrochen“.

Ungarn

Da die Sowjetunion auch Ungarn als besetztes Feindesland betrachtete wurden auch hier Arbeitskräfte zum Wiederaufbau in der Sowjetunion herangezogen. Hier setzte die Verschleppung zu Weihnachten 1944 ein und dauerte bis Ende Februar 1945 an, einige Transporte gingen sogar noch im März und April in die Sowjetunion. In Ungarn betraf die Deportation nicht nur Volksdeutsche, sondern auch Madjaren und andere Minderheiten, einschließlich Juden. Insgesamt sind etwa 600.000 Menschen aus Ungarn verschleppt worden, darunter etwa 30.000 bis 35.000 volksdeutsche Zivilisten. Bereits im Sommer und im Herbst 1945 trafen die ersten Rückkehrerzüge wieder ein, ausschließlich als „Krankentransport“: Die aus der Zwangsarbeit Entlassenen waren physisch und psychisch gebrochen, unterernährt und arbeitsunfähig geworden.

Polen

Anders lief die Entwicklung in Polen. Polnische Staatsangehörige deutscher Abstammung, Volksdeutsche und Deutsche wurden nach Kriegsende inhaftiert und zur Arbeit zwangsverpflichtet. Die Menschen wurden u.a. zur Landarbeit „ausgeliehen“, den Lohn erhielt die Lagerverwaltung. In Polen und den polnisch besetzten Gebieten gab es in den Arbeitslagern mehr Tote als bei den Vertreibungstransporten. Allein im Lager Lamsdorf/Oberschlesien starben 75% der Insassen. Auch in anderen oberschlesischen Zwangsarbeitslagern herrschte unbeschreibliche Grausamkeit. Planmäßiges Erschießen von arbeitsunfähigen Alten und Kranken gehörte in verschiedenen Lagern zur Tagesordnung. Das Bundesarchiv hat für die Gebiete östlich von Oder und Neiße insgesamt 1.255 Lager ermittelt.

So war etwa das Lager Zgoda ein Arbeitslager vor allem für deutsche Zivilisten im Ortsteil Zgoda der Stadt Schwientochlowitz. Es handelte sich dabei um das ehemalige Konzentrationslager Eintrachthütte, das ein Außenlager des KZ Auschwitz war. Bekannt ist auch das Zentrale Arbeitslager Potulitz, in dem etwa 36.000 Deutsche, aber auch antikommunistisch eingestellte polnische Zivilisten und einige Kriegsgefangene untergebracht waren. Unter den Internierten waren anfangs sogar 1.285 Kinder, im April 1948 waren es immer noch 1.100 Kinder unter 12 Jahren. Mindestens 2.915 Menschen starben nachweislich im Lager.

Das Internierungslager Lamsdorf war zunächst ein Kriegsgefangenenlager. Unter polnischer Verwaltung wurde es  nach dem Zweiten Weltkrieg zur Inhaftierung deutscher Zivilisten benutzt (offiziell: Arbeitslager Łambinowice, polnisch Oboz Pracy w Łambinowicach).

Aus den sowjetischen Deportationslagern in Polen wurden insgesamt 218.000 Menschen als lebende Reparationen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verbracht, die restlichen etwa 200.000 Menschen verblieben auf polnischem Territorium. Die Sterberate in den Lagern wird auf zwischen 30% und 50% geschätzt.

Tschechoslowakei

Obwohl die Sudetendeutschen 1945 ihre Heimat verlassen mussten, leisteten zwei Jahre später noch viele Vertreter der deutschen Volksgruppe als „Fachkräfte“ Zwangsarbeit in der Tschechoslowakei. Dabei bediente man sich eines ausgefeilten Lagersystems von etwa 2000 Lagern, davon waren 846 ausgesprochene Arbeitslager. Zur systematischen Verschleppung von Deutschen durch die Rote Armee ist es in der Tschechoslowakei nicht gekommen. 1955 endete die Internierung deutscher Zwangsarbeiter in der Tschechoslowakei. Insgesamt waren in den Lagern etwa 350.000 Deutsche interniert. Etwa 25.000 bis 40.000 Todesopfer forderte die Unterbringung in den Arbeitslagern. Die Internierung in der Tschechoslowakei endete erst 1955. Dies war eine direkte Folge der Reise von Bundeskanzler Adenauer nach Moskau.

Russlanddeutsche

Einen Sonderfall stellen die Deutschen aus Russland dar. Ihr Martyrium begann bereits während des Krieges im Jahr 1941. Die männliche deutsche Bevölkerung sowie Frauen, die keine Kinder zu versorgen hatten, wurden ab Oktober/November 1941 in den Deportationsgebieten für die sogenannte Arbeitsarmee mobilisiert. Sie wurden beim Bau von Industrieanlagen, Bahnlinien, Straßen und Kanälen eingesetzt. Die Gesamtzahl wird nach sowjetischen Quellen mit 278.184 Personen angegeben. Auszugehen ist davon, dass etwa jeder vierte Deutsche in der Arbeitsarmee („Trudarmee“) war, das entspricht der gesamten erwachsenen Bevölkerung. Ähnlich erging es den 250.000 Deutschen, die als sogenannte Repatriierte nach 1945 in die Sowjetunion verbracht wurden. Sie wurden zum größten Teil in den nördlichen Regionen Russlands in der Forstwirtschaft und in der Industrie und Landwirtschaft Kasachstans eingesetzt. Die restliche Bevölkerung befand sich noch bis 1956 in Sonderlagern unter Aufsicht des Innenministeriums und hatte unter entsetzlichen Bedingungen ebenfalls Schwerstarbeit zu verrichten.

Symbolische Geste

Millionen Deutsche haben noch während oder nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten müssen. Bis weit in die 1950er Jahre hinein, wurden Deutsche, einschließlich Frauen und Kinder, aus dem mittel-, ost- und sudosteuropäischen Raum zur Arbeit gezwungen oder in Arbeitslagern geknechtet und physisch ausgebeutet. „Lebende Reparationen“ gab es nicht nur in Russland, es gab sie auch in Polen, der Tschechoslowakei und in Jugoslawien. Mit Todesraten bis an die 50%-Marke.

Der britische Philosoph und Nobelpreisträger Bertrand Russell schrieb in einem Leserbrief an die „Times“ am 19. Oktober 1945: „In Osteuropa werden jetzt von unseren Verbündeten Massendeportationen in einem unerhörten Ausmaß durchgeführt, und man hat offensichtlich die Absicht, viele Millionen Deutsche auszulöschen, nicht durch Gas, sondern dadurch, dass man ihnen ihr Zuhause und ihre Nahrung nimmt und sie einem langen schmerzhaften Hungertod ausliefert.“

Zwangsarbeit im Zuge der Vertreibung der Deutschen aus Ost-, Ostmittel- und Sudosteuropa war keine Ausnahmeerscheinung, nicht einmal etwas, was nur eine bestimmte Volksgruppe betraf. Zwangsarbeit war ein Massenphänomen, das unabhängig von Geschlecht, Alter oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe hunderttausende Deutsche betraf. Millionen Menschen kennen heute die Bilder der über das zugefrorene Frische Haff treckenden Ostpreußen oder der sinkenden Wilhelm Gustloff. Auch der „Brünner Todesmarsch“ oder die Deportation der Russlanddeutschen sind heute bei Millionen Deutschen – mehr oder weniger – präsent. Aber nur wenige wissen etwas über Zwangsarbeit, die Deutsche leisten mussten und die Zehntausende mit dem Leben bezahlt haben. Im öffentlichen Bewusstsein ist diese Sklavenarbeit der Ostdeutschen und Volksdeutschen als Massenphänomen niemals vorhanden gewesen.

Die deutschen Heimatvertriebenen haben in den letzten Jahrzehnten auf vielen Ebenen um eine Anerkennung dieses Schicksals gerungen. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht oder eines Rechtsgrundes, aber als humanitäre Geste, hat der Deutsche Bundestag nun, wie eingangs erwähnt, einen finanziellen Entschädigungsbetrag für deutsche Zwangsarbeiter beschlossen. Einzelheiten, die in eine Richtlinie munden sollen, werden zurzeit durch das Bundesministerium des Innern erarbeitet. Erste Zahlungen soll es noch in diesem Jahr geben. Das ist eine späte Genugtuung für diejenigen, die Zwangsarbeit leisten mussten und nach weit über 60 Jahren jetzt eine symbolische Anerkennung ihres Schicksals erfahren. Mehr als Symbolik wird kaum möglich sein, aber zu hoffen ist, dass das Schicksal derer, die zur Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen gezwungen wurden, endlich einer breiteren Öffentlichkeit bewusst wird. Neben der zutiefst menschlichen Geste gegenüber den Betroffenen ist das vielleicht sogar der wichtigste Effekt dieser Entschädigungszahlungen.

Markus Patzke

(Der Beitrag erschien im DOD – Deutscher Ostdienst, Nr. 01/2016.)