Ansprache zum Tag der Heimat am 3. September 2014 in der Urania Berlin

BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB

Es gilt das gesprochene Wort.

Anrede und Begrüßung.

Herzlichen Dank Herr Parlamentspräsident Kövér, für Ihre guten Worte. Sie haben gemerkt, dass Sie die Seelen der Menschen getroffen haben. Wir alle danken Ihnen für Ihr Engagement. Wir alle danken dem ungarischen Parlament und dem ungarischen Volk für seine Zugewandtheit.

Nachdem ich nun das musikalische Geburtstagsgeschenk gehört habe und Sie es mit mir hören konnten, darf ich mich nochmal bei Ihnen, lieber Professor Siegfried Matthus, ganz herzlich für diese wunderbare Volksliedtrilogie bedanken, die von den Potsdamer Turmbläsern phantastisch gespielt wurde. Es ist ein schönes Geschenk für uns alle in Deutschland.

Seit 1950 wird der Tag der Heimat bundesweit von den deutschen Heimatvertriebenen begangen. Wir gedenken der Flucht und Vertreibung aus der Heimat, wir erinnern an die Massendeportationen, Todeslager und Zwangsarbeit für Deutsche und wir richten den Blick in die Zukunft.

Ihnen, sehr verehrter Herr Weihbischof Hauke, danke ich für Ihre innigen Worte. Sie mahnen uns, an der Seite der Vertriebenen dieser Welt zu stehen, derer es leider viel zu viele gibt. Ich darf Ihnen versichern, unser Mitgefühl gehört den Menschen, die im Irak um ihr Leben fürchten müssen, die aus Glaubensgründen vertrieben werden oder die ihren Glauben verleugnen müssen, wenn sie nicht ermordet werden wollen. Wir stehen an der Seite dieser Vertriebenen, aller Vertriebenen die es weltweit gibt. Wir können aus eigenem Erleben nachempfinden, wie es diesen Menschen geht.

Unser Tag der Heimat ist gleichzeitig immer eine Mahnung, Vertreibung als Mittel von Politik weltweit zu ächten. Wenn wir heute rund um den Globus schauen ist das dramatisch nötig. An die 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht oder vertrieben. Wir stehen an ihrer Seite und fühlen mit ihnen.

Dieser Tag der Heimat findet in einem großen historischen Erinnerungsjahr statt:

  • vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg,
  • vor 75 Jahren wurde der Zweite Weltkrieg entfesselt und
  • vor 25 Jahren das Wunder, der Fall der Mauer.

Diese Marksteine europäischer Geschichte berühren uns im Bund der Vertriebenen ganz besonders.

Grausamkeit und Unmenschlichkeit fanden 1945 kein Ende

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges – die Urkatastrohe des 20. Jahrhunderts – brachte bislang nicht gekanntes Leid für die Betroffenen. Er legte auch den Grundstein für den Völkermord zum Beispiel im Osmanischen Reich und für erste große Massenvertreibungen in Mittel- und Osteuropa. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden alleine aus Westpreußen und Oberschlesien weit über 500.000 Menschen in das geschrumpfte damalige Deutsche Reich vertrieben. Die kurzsichtigen und folgenschweren Friedensverträge von Versailles, von Saint Germain und von Trianon veränderten Europa in seinen inneren Grenzen dramatisch und legten die Zündschnur gegen einen dauerhaften Frieden. Minderheitenrechte gab es – aber weitgehend nur auf dem Papier. Die Archive des Völkerbundes machen dies sehr deutlich.

Die daraus hervorgehende Weimarer Republik wurde in ihrer Schwäche zur Beute Adolf Hitlers. Das Grauen der nationalsozialistischen Diktatur, für die Auschwitz zum Synonym wurde, und der von Hitler in Europa entfesselte Zweite Weltkrieg mit seinem grenzenlosen Leid für die Völker haben bis heute tiefe Brüche und tiefe Risse in den Herzen und in den Seelen der Menschen hinterlassen. Und das sage ich mit Bedacht: Mit 1945 aber, dem Ende des Zweiten Weltkrieges, hatten Unmenschlichkeit und Grausamkeit noch immer kein Ende.

Stalins harte Faust legte sich auch über Mittel- und Osteuropa und raffte Millionen Menschen vieler Völker dahin. Flucht und Vertreibung der Deutschen, aber auch von Italienern, Polen und Ungarn waren brutal im Gange. Es waren fast 15 Millionen Deutsche, die ihre Heimat verloren haben.

Theresienstadt war auch nach Hitler grausam und tödlich, so wie hunderte andere Lager. Die Völker jenseits des immer undurchdringlicher werdenden Eisernen Vorhangs lebten bis 1989 unter kommunistischer Herrschaft.

Für die Vertriebenen und für die unterdrückten Völker klingt deshalb die sehr eindimensionale und leider immer wieder zu hörende Vereinfachung des 8. Mai 1945 als „Tag der Befreiung“ wie ein Hohn auf ihr Schicksal.

Menschlichkeit und Menschenwürde waren auch danach in weiten Teilen Europas über Jahrzehnte hinweg leere Worthülsen. Unmenschlichkeit und Grausamkeit an Schuldlosen waren noch immer nicht verbannt. Der russische Schriftsteller und Humanist Lew Kopelew, den ich noch persönlich kennenlernen durfte, bewertete aus seiner russischen Perspektive den 8. Mai mit dem Kriegsende als zweischneidig.

Er begründete sehr rational: „Einerseits bedeutete er auch für uns die Erlösung von allen Kriegsnöten und -gefahren, mit denen das Hitlerreich die Menschen bedroht hatte, andererseits aber wurde er zum Triumph eines anderen totalitären Reichs, das eigene und benachbarte Völker brutal unterdrückte […]. Nun behauptete sich die sozialistische Sowjetunion ohne überflüssige Dekoration als eine imperiale, bürokratisch-polizeilich staatskapitalistische Macht. Der Weltkrieg wurde fortgesetzt mit anderen Mitteln, als Kalter Krieg in Europa.“

Deutschland war von beidem betroffen. Es war, wie Theodor Heuss sehr treffend formulierte „erlöst und vernichtet in einem“. Der westliche Teil und die dort Heimischen – nicht die Vertriebenen – konnten sich sehr bald als befreit fühlen. Mittel- und Ostdeutschland aber gerieten unter die kommunistische Knute. Stalins Herrschaft erstreckte sich über halb Europa.

Warum erinnere ich daran?

Die einseitige Sicht, den 8. Mai 1945, das Ende des Zweiten Weltkrieges, als den Tag der Befreiung zu bejubeln, ist eine rein westliche Sicht und deshalb schlichtweg unanständig, weil man die Nöte der anderen dabei übersieht. Keinem Menschen, der sich ganz Europa nach diesem Tag betrachtet, kann eine solche Formulierung über die Lippen kommen. Die Tragik der Jahrzehnte danach war, dass elementare Menschenrechte auch weiterhin für einen erheblichen Teil Europas und für Millionen Menschen keine Gültigkeit hatten. In Mittel- und Osteuropa wurde der braune Hitler-Sozialismus – da darf sich jetzt niemand aufregen, aber ich kenne die Debatten in Deutschland – nahtlos durch einen Kommunismus stalinistischer Prägung abgelöst.

Warum sonst hätten wir überhaupt Grund und Anlass uns in diesem Jahr über den Fall der Berliner Mauer, über den Zerfall des sowjetischen Imperiums und seines Einflussbereiches von Herzen zu freuen?

Weil erst dadurch Freiheit und Menschenrechte auch östlich von Oder und Neiße wirklich möglich wurden!

Seit 1989 können die Völker Europas „ohne Furcht und Zwang“ leben

Es ist der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls, der das Ende des Zweiten Weltkrieges auch für den östlichen Teil Europas eingeleitet hat. Der 9. November 1989 ist der wirkliche Tag der Befreiung für die Völker und Menschen ganz Europas.

Immer wieder haben sich die Menschen in den Ostblockstaaten für ihre Freiheit mutig erhoben:

  • 1953    Volksaufstand in der DDR,
  • 1956    Volksaufstand in Ungarn,
  • 1968    „Prager Frühling“ in der Tschechoslowakei,
  • 1980    Solidarność in Polen.

Alle diese Freiheitsbewegungen wurden gewaltsam zerschlagen.

Von 1989 an aber – und darüber können wir uns von Herzen freuen – fegte der Geist der Freiheit die kommunistischen Regime weg und Europa wurde langsam wirklich frei.

Was bedeutete 1989 für die Vertriebenen?

Die Heimatorte wurden leichter zugänglich. Die dort verbliebenen Deutschen durften endlich wieder ihre Muttersprache sprechen. Es war so wichtig für die Menschen, dass Bischof Nossol in Oberschlesien die ersten Gottesdienste in deutscher Sprache halten konnte und dies wagte. Gleichzeitig wollten aber viele der verbliebenen Deutschen in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Nach Jahren der Unterdrückung traute man dem Frieden noch nicht wirklich.

Seither sind mehr als vier Millionen Aussiedler zu uns gekommen, überwiegend Deutsche aus Russland, Rumänien und dem heute polnischen Bereich.

Die Heimatvertriebenen fahren seit vielen Jahren zig-tausendfach in die Heimat. Nicht mit der geballten Faust oder gar einem Sprengstoffgürtel um den Leib, wie es in anderen Regionen der Welt manchmal der Fall ist, sondern mit offenem Herzen, zumeist noch mit Geld in der Tasche. Sie suchen die Gemeinschaft mit den Menschen, die heute dort leben. Es gibt inzwischen Tausende von Kontakten von Mensch zu Mensch. Freundschaften sind daraus gewachsen. Wir nehmen alle miteinander Anteil auch am schlimmen Schicksal unserer Nachbarvölker. Es sind die Heimatvertriebenen, die seit Jahren den Dialog vorantreiben und Europa aktiv und menschlich mitgestalten.

Ich erinnere auch gerne daran, dass wir seitens des Bundes der Vertriebenen eine eigene Veranstaltung gemacht haben, um an den Warschauer Aufstand zu erinnern. Wir waren die Ersten, die Einzigen, die das in Deutschland gemacht haben. Ganz im Geiste der Charta der Heimatvertriebenen, in der postuliert wurde: „Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können. Wir werden durch harte, unermüdliche Arbeit teilnehmen am Wiederaufbau Deutschlands und Europas“. Das haben die Vertriebenen und die Aussiedler Tag um Tag in die Realität umgesetzt.

Vertriebene im offenen Dialog mit vielen Völkern Europas                    

Wir wissen: Wir brauchen das Miteinander und wollen das Gegeneinander der Völker überwinden. Von Mensch zu Mensch wächst dieses Miteinander tagtäglich. Von Mensch zu Mensch gibt es zahllose gute Kontakte.

Wenn ich einen Landsmannschaftsvorsitzenden sprechen will, ist der vermutlich in seiner Heimatregion zu finden. Helmut Sauer etwa ist ein gutes Beispiel hierfür, nach meinem Empfinden ist er mehr in Schlesien als in Deutschland.

Die Brücken zwischen unseren europäischen Völkern sind umso tragfähiger, je offener der Dialog geführt wird.

In vielen europäischen Ländern ist die Bereitschaft dazu vorhanden.

Ich stelle mit großer Freude fest, dass sich nur noch eine absolute Minderheit von Ländern ihrer historischen Verantwortung für die Vertreibung der Deutschen entzieht. Es gibt von offizieller staatlicher Seite der meisten betroffenen Länder inzwischen Zeichen des Mitgefühls und der Zuwendung. Wir haben eben die Worte von Herrn Präsidenten Kövér gehört. Ungarn ist ein leuchtendes Beispiel dafür.

Es gibt intensive Beziehungen zwischen vielen Regierungen und unseren Landsmannschaften. Das ist eine hervorragende Entwicklung. Daran wollen wir weiter arbeiten.

Deutschland geht nicht ohne die Vertriebenen

Das Leitwort zu unserem diesjährigen Tag der Heimat lautet: „Deutschland geht nicht ohne uns“.

Unsere Bundeskanzlerin ist in ihrem Kabinett umringt von Vertriebenen. Ich habe es vorhin namentlich deutlich gemacht.

Warum geht Deutschland nicht ohne uns? Weil es einfach so ist!

Deutschland wäre nicht Deutschland ohne die Vertriebenen und Aussiedler. Wir haben dieses Land mit aufgebaut. Wir haben uns nicht wehklagend in die Ecke gesetzt, sondern angepackt und zugesehen, dass wir irgendwie wieder ein Dach über den Kopf bekommen – und haben dabei versucht zu vergessen, was mancher Nachbar sagte. Meine Mutter hat aber bis zu ihrem Lebensende nicht vergessen, dass ihr ein schleswig-holsteinischer Bauer einmal an den Kopf warf: „Ihr seid ja schlimmer als die Kakerlaken!“

Das ist aber nur eine Facette. Das Miteinander ist insgesamt gelungen.                                                                                    

In beiden Teilen Deutschlands, auch wenn unsere Schicksalsgefährten in der DDR überhaupt nicht über das, was ihnen widerfahren ist, reden durften.

Das sogenannte „Wirtschaftswunder“ der 50er Jahre wurde möglich, weil die Vertriebenen zur Verfügung standen.

Die Vertriebenen prägten auch den Wiederaufbau in Mitteldeutschland.

Die Heimatvertriebenen konnten trotz zahlloser Widrigkeiten in allen Lebensbereichen Fuß fassen. Ob in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, Politik, in der Kirche. Es gibt viele Bischöfe mit einem Vertriebenenhintergrund: Kardinal Meissner und Erzbischof Zollitsch seien stellvertretend genannt. Fast alle Lebensbereiche sind stark von Vertriebenen geprägt.

Persönlichkeiten wie Paul Löbe (SPD) aus Schlesien, Kurt Schumacher (SPD) aus Westpreußen, Rainer Barzel (CDU) aus Ostpreußen oder Erich Mende (FDP) aus Oberschlesien beeinflussten bereits die Politik der jungen Bundesrepublik.

Unternehmer wie die Familie Merckle aus dem Sudentenland oder Beate Uhse aus Ostpreußen schufen durch ihr Engagement Tausende von Arbeitsplätzen. Sie haben den Markt beobachtet und Firmen gegründet.

Vertriebene oder ihre Nachkommen prägen auch aktuell aktiv unser Wirtschaftsleben: So beispielsweise VW-Chef Martin Winterkorn. Er ist Kind von Ungarndeutschen und einer der einflussreichsten Wirtschaftsbosse im Lande.

Die Kulturlandschaft Deutschlands wäre ohne den Beitrag der Vertriebenen kaum denkbar. Nehmen sie für den Bereich der Literatur die Nobelpreisträger Günter Grass aus Danzig oder Herta Müller aus dem Banat.

Der Komponist Michael Jary aus Oberschlesien gab in den 50er Jahren mit seinen Schlagern den Deutschen Lebensfreude. Heinz Erhard prägte als deutsch-baltisches Kind mit seinem Humor eine Generation, eine Epoche. Schauspieler wie Armin Mueller-Stahl aus Ostpreußen oder großartige Komponisten wie unser Freund Siegfried Matthus, auch aus Ostpreußen, und der Schriftsteller Rüdiger Safranski mögen weitere Zeugen dafür sein.

Kinder von Vertrieben und Aussiedlern sind im öffentlichen Leben bis heute ständig präsent. Die Fußballtrainer Udo Lattek und Felix Magath haben ostpreußische Wurzeln. Das bekannteste Gesicht der Deutschen aus Russland ist die Sängerin Helene Fischer. Die meisten im Lande wissen nicht, dass sie eine Deutsche aus Russland ist. Ich freue mich, dass heute noch eine weitere hervorragende Deutsche aus Russland Gast bei uns ist: Ina Menzer, vielfache Boxweltmeisterin.

Peter Maffei – aus Siebenbürgen – wird heute 65. Jeder kennt ihn. Auch von hier aus herzlichen Glückwunsch, lieber Peter Maffei.

All das macht deutlich: Deutschland geht nicht ohne uns.

Unser Tag der Heimat geht erkennbar nicht nur die Vertreibungsopfer an, sondern er betrifft auch oder gerade die von diesem Schicksal Verschonten in Deutschland.

Es gab in der innerdeutschen Debatte ungeheuer aggressive Phasen. Hier hat sich das politische Klima in den letzten Jahren erheblich geglättet.

Ich freue mich sehr, dass die Bundesregierung in dieser Woche den jährlichen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung beschlossen hat.

Unser historisches Erbe umfasst ja alles, was den Menschen ausmacht. Alle Höhen, alle Tiefen, Wunderbares und Schreckliches sind uns aus vielen Jahrhunderten als Erbe mitgegeben.

„Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“, sagte Goethe zu Recht. Das trifft auch auf die deutschen Schicksale und unsere eigene Geschichte zu. Deshalb ist dieser Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung auch ein Erwerben dessen, was wir sind, was wir hatten und haben. Das ist für unsere Nation ganz elementar.

Damit ist auch ein wichtiges Anliegen unseres Verbandes umgesetzt worden. Dies ist ein guter Tag für die deutschen Heimatvertriebenen und ein guter Tag für alle Deutschen. Gerade im Hinblick auf künftige Generationen ist es gut, dass dieser Gedenktag jährlich am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, begangen wird.

Im Kontext mit den zahllosen Vertreibungen weltweit wird deutlich, dass die Vertreibungen der Deutschen genauso ein Unrecht darstellen, wie die Vertreibungen anderer Gruppen und Völker. Es wird deutlich gemacht, dass auch die Vertreibung der Deutschen völkerrechtswidrig gewesen ist und nicht, wie oft verkündet, die gerechte Strafe für nationalsozialistische Verbrechen.

Niemand wird mich, die ich im Deutschen Bundestag für die Universalität von Menschenrechten fechte, mit dem Argument von „Ursache und Wirkung“ davon überzeugen, dass eine Barbarei die andere jemals entschuldigen oder rechtfertigen kann. Auch für die deutschen Vertreibungsopfer gelten natürlich die Menschenrechte, und zwar unabdingbar, uneinschränkbar und unrelativierbar.

Von dem deutschen Gedenktag an diesem 20. Juni für die Opfer von Flucht und Vertreibung jeweils am Weltflüchtlingstag geht dieses deutliche Signal aus.

Es ist zudem wunderbar und ich bedanke mich bei den Bundesländern Hessen, Bayern und Sachsen, dass sie unabhängig davon jeweils am zweiten Sonntag im September Landesgedenktage eingeführt haben um an ihre Vertriebenen und deren Leistungen zu erinnern.

Gemeinsam haben wir viel erreicht

Der Bund der Vertriebenen hat in den letzten Jahren durch enge Zusammenarbeit unserer Landsmannschaften und Landesverbände sehr viel erreicht.

Unser Verband steht mit seinen Mitgliedern in der Mitte der Gesellschaft. Wir lassen uns weder von Linksaußen noch Rechtsaußen missbrauchen. Wir sind ein überparteilicher Verband. Über einen längeren Zeitraum war das nicht so deutlich erkennbar. Deshalb war es mir persönlich von Anbeginn an ein Anliegen, den Dialog mit allen demokratischen Kräften wieder zu beleben. Und wenn ich meinen Freund Milan Horáček von den Grünen hier sehe: In vielen Bereichen ist das gut gelungen.

Die wichtigste gesellschaftspolitische Leistung der letzten 16 Jahre war die Gründung unserer Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen im Jahr 2000. Damit wurde eine Welle der Solidarität ins Rollen gebracht. Mit mehr als 450 Patengemeinden und vier Patenländern fanden wir ungeahnte Unterstützung unseres Anliegens für eine dauerhafte Gedenkstätte in Berlin.

Durch unsere Stiftung wurde der Anstoß gegeben, die Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ als nationale Erinnerungsstätte im Deutschlandhaus zu schaffen. Damit gibt es jetzt sogar zwei Stiftungen mit ähnlichen Zielen und Aufgaben. Dabei wünsche ich mir allerdings, dass es bei der Bundesstiftung noch ein wenig zügiger voran geht als bisher. Es ist nötig, intensiv daran zu arbeiten.

Diese Projekte sind gelungen, weil viele Menschen uns unterstützt haben: aus allen demokratischen Parteien und aus allen Gesellschaftsschichten. Es waren bekannte Persönlichkeiten und einfache Bürger, die uns zur Seite standen. Viele unserer Unterstützer sehe ich heute hier als unsere Gäste. Bei Ihnen allen bedanke ich mich ganz herzlich. Sie standen an unserer Seite in guten wie in schwierigen Tagen.

Seit 1998 bin ich Präsidentin des BdV. Es ist ein Ehrenamt, von dem mir mancher abgeraten hatte. Ich habe mich der Aufgabe gestellt, nicht ahnend, was auf mich zukommen würde. Ich habe mich der Aufgabe gestellt, weil ich zutiefst davon überzeugt war, dass dieser Teil deutscher Geschichte und deutschen Schicksals ein gesamtdeutsches Anliegen werden muss.

Es waren Jahre, in denen wir im BdV gemeinsam wichtige Weichen für unseren Verband und für ganz Deutschland gestellt haben. Mein Ziel, ein vollständiges und wahrhaftiges deutsches und europäisches Geschichtsbild zu erreichen, ist ein gutes Stück näher gerückt.

Der Weg war oft steinig. Und es gab in stiller Stunde bei mir durchaus Momente, wo der Zorn über ungerechtfertigte Angriffe mit dem Verstand davonlaufen wollte. Nicht immer, aber zumeist ist es mir gelungen, den Zorn zu bezähmen und den Verstand einzuschalten.

In dem Bewusstsein, dass wir gemeinsam viel erreicht haben, dass die Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ und der gerade beschlossene Gedenktag unser Schicksal als gesamtdeutsche Verantwortung in die nächsten Generationen tragen können, werde ich im November mein Amt in andere Hände übergeben.

Wir haben hervorragende Leute im Bereich des Bundes der Vertriebenen, viele geeignete Persönlichkeiten. Das Präsidium hat bereits einen Kandidaten nominiert.

In diesen 16 Jahren gab es keinen einzigen Tag, den ich hätte missen mögen. Selbst die härtesten nicht. Es waren Jahre, in denen ich von vielen Seiten herzliche Freundschaft und auch beständige Unterstützung erfahren habe. Diese 16 Jahre – ich sage es ganz offen: Sie haben nicht Kraft gekostet, sie haben mir Kraft geschenkt.

Für viel Solidarität und herzliche Freundschaft möchte ich mich heute bei Ihnen allen von ganzem Herzen bedanken. Ich wünsche Ihnen und Deutschland alles Gute.