Die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen hat sich als höchstes Beschlussgremium des Verbandes auf ihrer Zusammenkunft am 26. August 2022 in Berlin unter anderem mit aktuellen Themen und Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler sowie mit den deutschen Minderheiten in deren Heimatgebieten beschäftigt.
Dabei wurde folgende Entschließungen gefasst.
1. Dem Frieden und der Völkerverständigung in Europa verpflichtet
Dem Geist der Charta der deutschen Heimatvertriebenen verpflichtet, fordert die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen die Regierungen und Völker Europas und der Welt dazu auf, sich vereint dafür einzusetzen, dass Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet.
Den Krieg und die damit einhergehenden zahllosen Menschenrechtsverletzungen verurteilen wir. Dazu gehören die millionenfache Flucht und Vertreibung der ukrainischen Zivilbevölkerung, ethnische Säuberungen, Deportationen sowie massive Zerstörungen der Lebensgrundlagen und der Infrastruktur. Zivilisatorische Gesellschaften haben andere Möglichkeiten, Konflikte auszutragen.
Das Schicksal der Ukrainer erfüllt die deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, die stellvertretend für die furchtbaren Verbrechen der Nationalsozialisten in Haftung genommen wurden, aber auch die Aussiedler und Spätaussiedler, die zum Teil Jahrzehnte in kommunistischen Unrechtsregimen dem Kriegsfolgenschicksal ausgesetzt waren, mit großer Anteilnahme.
Auch was am Ende und nach dem von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieg geschah, darf sich nicht wiederholen. Es gilt, den geflüchteten und vertriebenen Ukrainern eine Rückkehr in ihre Heimatgebiete zu ermöglichen, sobald wieder Friede herrscht.
Angesichts unserer eigenen Geschichte wissen wir, dass die Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechtes sowie der staatlichen Souveränität den einzig möglichen Weg zu dauerhaftem Frieden in der Region und zu erneuter grenzüberschreitender Verständigung weist. In diesem Prozess können die deutschen Minderheiten in der Ukraine, in Russland und den angrenzenden Ländern eine wichtige Rolle spielen.
Insgesamt gilt es nach wie vor, Flucht, Vertreibung und ethnische Säuberungen weltweit zu ächten und strafbewehrt zu verbieten. Auch dies sollte das Ziel internationaler Anstrengungen sein.
2. Deutsche Minderheit in Polen ideell und finanziell stärker unterstützen
Die deutsche Minderheit in Polen ist derzeit einer beispiellosen Diskriminierung durch die polnische Regierung ausgesetzt. Als einziger ethnischer bzw. nationaler Minderheit in der Republik Polen wurde ihr der muttersprachliche Unterricht von drei auf eine Wochenstunde gekürzt. Gleichzeitig wurde die Förderung dieses Unterrichts um rund zehn Millionen Euro oder etwa ein Drittel der Gesamtförderung abgesenkt. Eine derartige, gezielte Benachteiligung verstößt gegen grundlegende Minderheiten- und Menschenrechte und bedroht die Minderheit in ihrer Identität
Es ist gut, dass die Bundesregierung dies ebenfalls so bewertet, die Kürzungen klar als Diskriminierung bezeichnet und als gegen geltendes europäisches wie polnisches Recht verstoßend eingeordnet hat.
Die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen stellt sich an die Seite der deutschen Minderheit in Polen und fordert die Bundesregierung auf, Gespräche zur Rücknahme dieser Kürzungen mit Nachdruck fortzusetzen sowie flankierend die Minderheitenförderung zu intensivieren und sich in eine angemessene Förderung der Muttersprache für die Deutschen in Polen im Sinne der Europäischen Charta für die Regional- und Minderheitensprachen einzubringen.
3. Vertriebenenkulturarbeit weiterhin sicher fördern
Die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen fordert die Bundesregierung und insbesondere die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) auf, die aktive Kulturarbeit der Vertriebenen, Spätaussiedler und ihrer Verbände gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) auch zukünftig sicher zu fördern und finanzielle Kürzungen im Bereich der Projektmittel zurückzunehmen. Diese Kürzungen bleiben auch angesichts eines stetig wachsenden Gesamthaushaltes der BKM unverständlich.
Es gilt, am erfolgreich etablierten, partizipativen Ansatz zwischen Bund und Ländern, Institutionen und Kulturträgern im In- und Ausland festzuhalten und diesen auszubauen. Gleichzeitig müssen diejenigen Bundesländer mehr Engagement zeigen, die hier noch Nachholbedarf haben.
Das kulturelle Erbe der Deutschen in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa und in den heutigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die Kultur der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler sowie die Kultur der heute noch in den Heimat- und Herkunftsgebieten lebenden Deutschen sind wesentliche Bestandteile der kulturellen und auch geistigen Identität Deutschlands, an deren Erhalt gesamtgesellschaftliches Interesse besteht.
Es ist gut, dass diese Überzeugung auch im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zum Ausdruck kommt. Sie sollte das Regierungshandeln in diesem Bereich leiten. Sie muss auch dort sichtbar werden, wo unser kulturelles Erbe von den Kulturträgern und deren Nachkommen sowie ihren Verbänden gepflegt, weitergegeben, weiter¬entwickelt und somit lebendig erhalten wird. Gerade hier bestehen beste Kontakte zu Wissenschafts- und Kultureinrichtungen sowie zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen im In- und Ausland. Auch in dieser Arbeit kommt unser Engagement für Frieden und Verständigung mit den östlichen Nachbarn zum Ausdruck.
Die projektgebundene Kulturförderung des Bundes im Bereich § 96 BVFG unterstützt diese Arbeit und darf daher nicht zusammengestrichen, sondern sollte sogar verstärkt werden.
4. Nachteile für Aussiedler und Spätaussiedler im Rentenrecht beseitigen – Generationengerechtigkeit herstellen
Die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen fordert die Bundesregierung auf, ihrer staatlichen Verantwortung für die Gruppe der Aus- und Spätaussiedler gerecht zu werden und für die betroffenen Menschen benachteiligende gesetzliche Regelungen aus früheren Jahren zurückzunehmen. Dies sind:
• Aufhebung der pauschalen 40-Prozent-Kürzung der FRG-Rente,
• Aufhebung der pauschalen Kürzung von Kindererziehungszeiten sowie eine Verlängerung der Erklärungsfrist bzw. eine gesetzliche Zuweisung zum berechtigten Elternteil,
• Abbau bürokratischer Hürden und finanzieller Belastungen beim Rentenbezug aus dem Ausland.
Diese bestehenden Nachteile führen zwangsläufig bei vielen Aus- und Spätaussiedlern zu Altersarmut. Sie stehen in Widerspruch zum Gebot der Generationengerechtigkeit, weil die Nachkommen der Aus- und Spätaussiedler in hohem Maße zur Stabilität unseres Rentensystems beitragen. Daraus kann angesichts der aktuellen Lage erheblicher sozialer Unfrieden entstehen, auch weil die Betroffenen in finanzielle Nöte geraten und sich von der Regierung im Stich gelassen fühlen.
Die Bundesregierung wird ebenso aufgefordert, den für den aktuellen Bundeshaushalt beschlossenen Härtefallfonds endlich auf den Weg zu bringen, die Gruppe der Aussiedler darin einzubeziehen und somit diesen Teil der Versprechen an die Betroffenen zu erfüllen.
5. Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) langfristig sichern
Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) ist ein seit Jahrzehnten bewährtes Instrument in der deutschen Integrationspolitik. Der BdV und die Wohlfahrtsverbände leisten im Rahmen des MBE-Programms wertvolle Arbeit und unterstützen die MBE zusätzlich mit Eigenmitteln. Nach wie vor ist sie insbesondere für den BdV ein wichtiges Element in der Beheimatung der nach Deutschland kommenden Spätaussiedler.
Nach dem Entwurf des Bundeshaushalts für 2023 drohen in der MBE nunmehr Mittelkürzungen um ein Drittel.
Dies ist ein fatales Signal für die dringend benötigte Integrationsarbeit, aber auch angesichts der weltpolitischen Lage, der auch dadurch stark erhöhten Zuwanderung und des weiterhin steigenden Beratungsaufkommens.
Daher fordert die Bundesversammlung des Bundes der Vertriebenen die Bundesregierung und die Parlamentarier dazu auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Leistungsfähigkeit der MBE durch eine langfristig gesicherte Förderung gezielt zu unterstützen.