„Mit unserem Tag der Heimat erinnern wir an millionenfache Schicksale und an die Heimat. Wir erfahren jeden Tag über die Nachrichten von neuen Vertreibungen weltweit. Wir wollen deshalb auch der heutigen jungen Generation den Wert von Heimat vermitteln und alle Menschen dazu aufrufen, Vertreibungen weltweit zu ächten. Vertreibung war und ist kein legitimes Mittel von Politik, sondern ein Verbrechen!“ betonte die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach MdB, in ihrer Begrüßungsrede auf dem Festakt zum Tag der Heimat am 6. September im Internationalen Congress Centrum (ICC) in Berlin und erklärte:
„Dieser Tag ist nicht nur ein Tag der Vertreibungsopfer, sondern er geht auch oder gerade die von diesem Schicksal verschonten Deutschen an. Die Ost-, Sudeten- und Südostdeutschen wurden in eine schreckliche Kollektivhaftung genommen für ein Regime und einen Krieg obwohl sie dafür nicht mehr oder weniger verantwortlich gewesen sind, als die in West- und Mitteldeutschland Lebenden. Darum ist es gut, dass die Bundesregierung alljährlich zum Tag der Heimat die Beflaggung der öffentlichen Gebäude anordnet.“
Auf die Leiden der Vertriebenen eingehend hob die Präsidentin hervor:
„Millionen Vertriebene mussten vor ihrer Vertreibung Zwangsarbeit leisten. Nicht nur für Russland, sondern auch für Polen, die Tschechoslowakei oder Jugoslawien. Mittel-, Ost- und Südosteuropa war über viele Jahre auch nach dem Krieg noch eine gigantische Sklavenhalter-Region. Der Krieg war vorbei, Hitlers Schreckensherrschaft beendet – Menschenrechte aber waren noch immer in weiten Teilen Europas unbekannte Vokabeln. Geläufig waren Rache und Vergeltung. Frauen und Kinder wurden davon nicht ausgenommen.
Wenn wir heute über die Vertreibung der Deutschen lesen und hören, könnte man glauben, diese Menschrechtsfrage bezöge sich nur auf Polen oder die Tschechische Republik. Es ist weitgehend aus dem Blickfeld geraten, dass es diese Schicksale für Deutsche in nahezu allen mittel-, ost- und südosteuropäischen Ländern gegeben hat.“
Als Beispiel ging die Präsidentin auf den Untergang der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien ein:
„Sie, sehr verehrter Erzbischof Zollitsch, haben persönlich erlebt, was es bedeutete, der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien anzugehören. Der Untergang der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien gehört mit Sicherheit zu dem Grausamsten, was es in der Mitte des 20. Jahrhunderts gegeben hat. Es war, daran besteht für den jugoslawischen Bereich kein Zweifel, Völkermord. Damit fand die vielhundertjährige Siedlungsgeschichte der Deutschen auf dem Balkan ein grauenhaftes Ende.“
Zu den heutigen Bemühungen um eine Bewältigung der Vergangenheit sagte die Präsidentin:
„Heute gibt es einen konstruktiven Dialog der Überlebenden Deutschen aus Jugoslawien mit den jeweiligen Regierungen der Nachfolgestaaten. Es gibt eindrucksvolle Gedenkstätten an den Massengräbern der großen Vernichtungslager, die im Zusammenwirken von Überlebenden mit den jeweiligen Regierungen errichtet wurden. Das ist tröstlich und ein gutes Zeichen. Dieses Miteinander lässt - wie in einigen anderen Nachbarländern auch - auf eine gemeinsame versöhnte Zukunft hoffen.
Ungarn ist seit dem Fall des Eisernen Vorhangs seiner Verantwortung für die Vertreibung der Ungarndeutschen vorbildlich gerecht geworden. Die Gedenkkonferenz des ungarischen Parlaments am 16. November 2007 zur Erinnerung an die Vertreibung der Ungarndeutschen war bislang einzigartig in der Wertegemeinschaft Europas.
Seitens mehrerer europäischer Regierungen gibt es Gesten des Mitgefühls, der Anteilnahme und der Erkenntnis. Aber es gibt –leider – auch das Gegenteil davon. Bis zum heutigen Tage. Schweigen hilft diesen Ländern aber nicht weiter.“
Zur Behandlung des Themas Integration der Vertriebenen stellte die Präsidentin fest:
„Die Ablehnung des ZgV durch etliche deutsche Linke und etliche deutsche Rechte macht eines deutlich: Die so hochgelobte Integration der deutschen Heimatvertriebenen ist mental und intellektuell noch immer nicht abgeschlossen.
Die Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen war keine lineare Erfolgsgeschichte, sondern für viele eine zusätzliche bittere Leidenserfahrung. Dass wenigstens die soziale Integration in den meisten Fällen gelungen ist, dazu trug der absolute Wille der Vertriebenen bei, irgendwie wieder wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen, Hinzu kam der Wille, sich politisch einzumischen und dieses Land mitzugestalten.
Die heutigen Vertriebenendebatten sind Teil eines Klärungsprozesses, der immer noch nicht abgeschlossen ist, der aber zur Integration gehört. Zu diesem Klärungsvorgang hat unsere Stiftung ZgV maßgeblich beigetragen.
Diese Gründung durch den BdV war eine große gesellschaftspolitische Leistung. Wir haben dadurch eine höchst lebendige Debatte entfacht. Sie war und ist in Teilen kontrovers, aber im Ergebnis notwendig und fruchtbar, nicht nur für uns Vertriebene, sondern mehr noch für die ganze deutsche Gesellschaft.
Durch unsere Stiftung ZgV ist es mehr als 60 Jahre nach Kriegsende gelungen, die Bundesregierung davon zu überzeugen, dass eine Erinnerungsstätte in Berlin geschaffen werden muss. Für die Erlebnisgeneration ist es am Ende eines sehr schweren Lebens tröstlich, dass ihr Schicksal nicht vergessen ist, sondern einen festen Ort im kollektiven Gedächtnis unseres Vaterlandes haben wird. Der BdV wird mit drei Sitzen im entscheidenden Gremium vertreten sein. Wer uns vertritt, das werden alleine wir bestimmen.
Mit der Bundesstiftung erlöschen nicht die Aufgaben des BdV und des ZgV. Im kommenden Jahr wird unsere Stiftung deshalb eine Ausstellung über die Kultur- und Siedlungsgeschichte der Deutschen außerhalb des Reiches hier in Berlin in der Bayerischen Landesvertretung zeigen.“
Als Aufgabe für die Zukunft hob die Präsidentin hervor:
„Ein Europa, in dem die Menschen in Frieden und Verständnis füreinander leben können, wächst nur durch Offenheit und Wahrheit zusammen. Das müssen auch alle diejenigen wissen, die in Deutschland ihre Bedenken hegen und pflegen. Die Brücken zwischen unseren europäischen Völkern werden um so tragfähiger sein, je offener und anteilnehmender wir den Dialog führen.
Heimat, der Tag der Heimat, ist für uns Vertriebene nicht Abschottung und geistige Enge, sondern Offenheit und der Blick über die Grenzen, Bewahrung der eigenen Kultur und Begegnung mit den Kulturen unserer Nachbarn.“