Mit frischer Kraft weiter auf Kurs ist der Bund der Vertriebenen nach seiner diesjährigen Bundesversammlung, die am 30. November 2018 in der Katholischen Akademie/Tagungshotel Aquino in Berlin stattfand. Satzungsgemäß wurde ein neues Präsidium gewählt. Die Delegierten verabschiedeten zwei Entschließungen – zur Altersarmut bei Spätaussiedlern und zur Kulturpolitik nach § 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes. Und die Verbandsarbeit wurde gleichermaßen bilanziert wie mit einem Blick in die Zukunft konstruktiv und lebendig diskutiert.
Neuwahl des Präsidiums
Die Neuwahl des Präsidiums stand im Zeichen der Kontinuität, brachte aber auch ein paar Veränderungen mit sich. So wurde der Präsident, Dr. Bernd Fabritius, dessen erneute Kandidatur schon im Vorfeld von zahlreichen Landsmannschaften und Landesverbänden unterstützt worden war, mit 141 von 146 Stimmen in seinem Amt bestätigt. Das sind hervorragende 96,6 Prozent. Fabritius erklärte: „Dieses Wahlergebnis erfüllt mich mit großer Dankbarkeit und stärkt mein Vertrauen in den eingeschlagenen Kurs.“ Zu Vizepräsidenten des Verbandes wurden abermals Stephan Grigat, Renate Holznagel, Christian Knauer, Stephan Mayer MdB und Albrecht Schläger sowie erstmals Siegbert Ortmann gewählt. Zu weiteren Präsidialmitgliedern wählten die Delegierten abermals Raimund Haser MdL, Milan Horáček, Egon Primas MdL und Stephan Rauhut sowie erstmals Brunhilde Reitmeier-Zwick und Johann Thießen. Die Präsidentin des Frauenverbandes im BdV, Dr. Maria Werthan gehören kraft Amtes dem Präsidium an. Der BdV-Präsident richtete einen besonderen Dank an die aus dem Präsidium ausgeschiedenen bzw. in der Wahl unterlegenen Kandidaten. Der Verband lebe von einem engagierten und ambitionierten Ehrenamt. Aus der Zusammensetzung des Präsidiums werde die Vielfalt der Mitgliedsorganisationen sowie das breite Aufgabenspektrum deutlich. Erinnerungs- und Verantwortungstransfer seien innerverbandlich bereits gelungen, so Fabritius.
Wichtige Entschließungen
„Altersarmut ist eines unserer drängendsten sozialen Probleme“, erklärte der BdV-Präsident zur Debatte über die Entschließung „Altersarmut abmildern – Lebensarbeitsleistung anerkennen“. „Daher freue ich mich, dass die Bundesversammlung sich erneut so klar zu den Anliegen unserer Spätaussiedler bekannt hat.“ Mit der Entschließung empfiehlt der Bund der Vertriebenen zum wiederholten Male eine Reihe von Maßnahmen, um „die bestehende Generationenungerechtigkeit im Rentenrecht für diesen Personenkreis zu beseitigen“. Dies sei nötig, weil weder die Lebensarbeitsleistung der Betroffenen noch deren für das deutsche Rentensystem positiv wirkenden Familienstrukturen in die Rentenberechnung einbezogen würden. Bei den Maßnahmen handelt es sich etwa um eine Anhebung der laut Fremdrentengesetz (FRG) anrechenbaren Entgeltpunkte, eine Aufhebung der pauschalen Kürzung im FRG-Bereich oder eine Verlängerung der Erklärungsfrist für Kindererziehungszeiten.
Die zweite Entschließung „Kulturarbeit nach § 96 BVFG und partizipativen Ansatz in der Förderung weiter stärken“ beurteilte Bernd Fabritius als notwendige Forderung, um die Beteiligung der Vertriebenen und ihrer Verbände an der konkreten Kulturarbeit weiter zu stärken. Wichtige Grundsteine seien sowohl durch die „Weiterentwicklung der Konzeption zur Erforschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes“ aus dem Jahr 2016 als auch durch den aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD gelegt worden. Darauf gelte es aufzubauen, um „für die Kulturträger und ihre Organisationen baldmöglichst eine zukunftsfähige finanzielle Basis zu schaffen“. Die Delegierten betonten, dass die direkte Zuordnung der regional zuständigen Kulturreferenten an die Landsmannschaften einen wichtigen Beitrag hierzu leisten könne.
Detaillierte Arbeitsbilanz
Überdies lieferte Fabritius eine detaillierte Arbeitsbilanz, in der er Aktivitäten des Präsidiums und positive Entwicklungen ebenso wie offene Anliegen herausstellte. So dankte er etwa den Verbandsgliederungen dafür, dass seine in diesem Jahr angestoßene Zukunftsdiskussion an- und aufgenommen worden sei und empfahl, diesen fruchtbaren Prozess fortzusetzen. Außerdem lobte er die verständigungspolitische Arbeit der Mitgliedsorganisationen, die weiter intensiviert und ausgebaut habe werden können. Besonders hob er die Mitgliedschaft des Bundes der Vertriebenen im „Deutschen Institut für Menschenrechte“ hervor. Der BdV sei damit „auch offiziell“ ein Menschenrechtsverband. „Unsere Beteiligung an der Förderung und am Schutz der Menschenrechte wird anerkannt“. Schon deswegen bleibe ein wichtiger Schwerpunkt der Verbandsarbeit die Situation der „Heimatverbliebenen“ – der deutschen Minderheiten in ihren Heimatgebieten in den europäischen Nachbarländern sowie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Sich gemeinsam mit deren Selbstorganisationen für Identitäts-, Sprach- und Kulturerhalt einzusetzen, bestehe als wichtiges Arbeitsfeld des BdV und insbesondere seiner Landsmannschaften fort, betonte Fabritius. Seine Bilanz wurde in der Aussprache ergänzt durch vielfältige Wortmeldungen und Kurzberichte aus den einzelnen Gliederungen.
Totenehrung
Stellvertretend für die seit der letzten Bundesversammlung verstorbenen Mitstreiter wurde des ehemaligen BdV-Präsidenten Dr. Fritz Wittmann sowie des einstigen baden-württembergischen BdV-Landesvorsitzenden Gustav Wabro gedacht. Fritz Wittmann, der am 21. März 1933 in Plan bei Marienbad im Egerland geboren wurde und am 17. Oktober 2018 in München verstarb, habe sich mit der Gründung der Sudetendeutschen Stiftung oder dem Aufbau des Sudetendeutschen Hauses verdient gemacht. Für sein Lebenswerk – ob als BdV-Landesvorsitzender in Bayern oder in seiner grenzüberschreitenden Verständigungsarbeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – hatte der BdV Wittmann 2017 mit der Ehrenplakette ausgezeichnet. Gustav Wabro, der am 14. Mai 1933 in Neudorf bei Deutsch Reichenau im Böhmerwald geboren wurde und am 25. Juni 2018 in Aalen verstarb, sei eine feste Größe u.a. als Landesbeauftragter für Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler gewesen und habe mit Partner- wie Patenschaften die heutige „Donauraum-Strategie“ Baden-Württembergs vorbereitet. Würdigende Erwähnung fanden auch die ebenfalls verstorbenen Manfred Ruhnau (1935-2018, ehem. Landesvorsitzender der Landsmannschaft Ostpreußen in NRW), Klas Lackschewitz (1934-2017, ehem. BdV-Generalsekretär) und Peter Großpietsch (1935-2017, ehem. Vorsitzender der Stiftung Grafschaft Glatz).
Ehrenplakette an Helge Klassohn
In einem Festakt vor der Bundesversammlung wurde dem ehemaligen Beauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland für Fragen der Spätaussiedler und Heimatvertriebenen, Kirchenpräsident i.R. Helge Klassohn, für seine Verdienste die Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen verliehen. Klassohn habe durch die Vermittlung zwischen den Perspektiven, durch das Hochhalten des Versöhnungsgedankens und durch seinen Glauben an die Freundschaft benachbarter Völker „erheblich dazu beigetragen, dass Heimatvertriebene und Spätaussiedler ihren Frieden mit sich selbst machen konnten“, würdigte Bernd Fabritius in seiner Laudatio das Wirken des Geehrten.
Klassohn, ein am 25. April 1944 in Riga geborener Deutsch-Balte, zeigte sich sichtlich bewegt. Er wies auf die doppelte Traumatisierung seiner Familie hin – zunächst 1939 durch die „aufgenötigte Umsiedlung“ aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes in das von den Nationalsozialisten besetzte Polen und dann durch die Flucht vor der Roten Armee in die spätere DDR. Seine familiäre Erfahrung verbunden mit seinem seelsorgerischen Auftrag in der evangelischen Kirche hätte die Sensibilität für die Anliegen der Vertriebenen und Spätaussiedler wachsen lassen. Schutz der Rechte und Erhalt der Würde – diese Grundsätze fänden sich schon in der Heiligen Schrift und würden sich spiegeln im Geist der Arbeit der Vertriebenen und ihrer Verbände – in Gerechtigkeit, Wahrheit und Versöhnung. Transportiert in die heutige Zeit bedeute dies die klare Aufforderung, Armen ebenso wie Flüchtenden und Vertriebenen zu helfen, sie mit Rechten und Pflichten auszustatten und ihnen gleichzeitig Recht und Gesetz des Gastlandes zu vermitteln. Über dem stehe aber die Pflicht, „gegen die Ursachen von Kriegen, von Vertreibungen und von Flucht vorzugehen, indem wir beharrlich für soziale Gerechtigkeit, für die Überwindung von Armut, Hass und religiösem Fanatismus und für ausgleichende und friedliche Konfliktlösungen eintreten“, mahnte Klassohn abschließend.
Marc-P. Halatsch