Am 17. Oktober 2016 wurde über dem Erweiterungsbau des Deutschlandhauses in Berlin, dem zukünftigen Sitz der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ (SFVV) als eine den Vertreibungsgeschehen im 20. Jahrhundert gewidmete Einrichtung sowie Standort der Dauerausstellung zu Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg als „sichtbares Zeichen“ in der Bundeshauptstadt, die Richtkrone gehisst und damit eine neue Phase in den Bauarbeiten eingeläutet.
Anwesend waren viele Verantwortungsträger dieses erinnerungs- und kulturpolitischen Großprojektes, wie etwa die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und Vorsitzende des SFVV-Stiftungsrates, Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB, die Leiterin der Abteilung Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbauten im Bundesbauministerium, Monika Thomas, die Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Petra Wesseler, der Vorstandssprecher der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), Dr. Jürgen Gehb, die SFVV-Direktorin Dr. Gundula Bavendamm sowie der Architekt Stefan Marte.
BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB war gemeinsam mit den fünf weiteren Stiftungsratsmitgliedern des Bundes der Vertriebenen und fast dem gesamten BdV-Präsidium ebenfalls zugegen. Aber auch die Weichensteller der Anfangsjahre, wie die Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen und Mit-Initiatorin dieses wichtigen Gedenkortes, BdV-Ehrenpräsidentin Erika Steinbach MdB waren zu der Veranstaltung eingeladen worden, die wegen der Bausituation ansonsten nicht öffentlich war.
Staatsministerin Grütters freute sich über den nächsten „Meilenstein“ im Aufbau von Stiftung und Ausstellung. Grundlage der Arbeit bleibe „die schon in der Konzeption 2012 formulierte Aufgabe an die Stiftung, schwerpunktmäßig die Darstellung von Flucht, Vertreibung und Integration der Deutschen darzustellen.“ Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit im europäischen Rahmen und der Respekt für die Perspektive der Anderen seien darüber hinaus maßgebliche Beiträge zu Versöhnung und Verständigung. „Wegen der unabwendbaren Verzögerung bei der Fertigstellung des Baus“, so hatte die Stiftungsratsvorsitzende schon im Vorfeld eine Beurteilung des mit dem Bau beauftragten BBR kommuniziert, sei die Übergabe an die BImA als Bauherrin jedoch erst 2018 zu erwarten.
Die seit April dieses Jahres amtierende Stiftungsdirektorin Dr. Bavendamm beschrieb beim Richtfest den „langen und nicht immer einfachen Weg der Stiftung zu sich selbst und zu den Menschen“, auf dem nun wieder ein großer Schritt getan sei. Ziel sei es, Zwangsmigrationen, Vertreibungen und Flucht als historische und gegenwärtige Phänomene begreifbar zu machen. Um auch die interessierte Öffentlichkeit am Baufortschritt teilhaben zu lassen, verloste die Stiftung gemeinsam mit einer großen Berliner Tageszeitung für den 18. und den 19. Oktober 2016 Führungen durch die Baustelle.
Mit Blick auf die immer weiter abnehmende Erlebnisgeneration kritisierte BdV-Präsident Dr. Fabritius am Rande der Veranstaltung die Bauverzögerungen, sprach aber gleichzeitig von einem guten Tag für Deutschland, denn es sei „bereits jetzt erkennbar, dass dies ein modernes, offenes, tolles Projekt wird, welches unser Thema als Teil der gesamtdeutschen Biografie in die Mitte der Gesellschaft trägt.“
Im umgebauten Deutschlandhaus – „ein neuer Markstein im Stadtbild von Berlin“, wie der verantwortliche Architekt Stefan Marte sich ausdrückte – werden rund 3.000 Quadratmeter für die SFVV zur Verfügung stehen, davon allein ca. 1.700 Quadratmeter Ausstellungsfläche für die Dauerausstellung. Hinzu kommen etwa ein Raum der Stille für das individuelle Gedenken, ein öffentlicher Lesesaal mit Bibliothek, Archiv und Zeitzeugenberichten sowie Büroräume für die Stiftung. Monika Thomas vom Bundesbauministerium zeigte sich überzeugt, dass das fertige Projekt „die Museumslandschaft Berlins inhaltlich wie baukulturell bereichern“ werde.
Im Rahmen der am gleichen Tag stattfindenden Sitzung des 21-köpfigen Stiftungsrates der SFVV wurde eine weitere Richtungsentscheidung getroffen: die Berufung eines neuen Wissenschaftlichen Beraterkreises. Zwölf Experten aus Deutschland, Großbritannien, Österreich, der Schweiz, Tschechien und den USA werden die Arbeit der Stiftung in fachlichen Fragen zukünftig begleiten.
Namens der sechs BdV-Mitglieder im Stiftungsrat begrüßte Bernd Fabritius diese Neu-Bestellung ausdrücklich. Die internationale Zusammensetzung zeige eine grenzüberschreitende Akzeptanz des Projektes. „Äußerst bedauerlich“ sei es, dass sich kein polnischer Experte zur Mitarbeit bereiterklärt habe. Dies sei aber vor dem Hintergrund „der gegenwärtigen politischen Lage dort verständlich“, bestätigte der BdV-Präsident eine Einschätzung der Kulturstaatsministerin.
Die thematisch breitere Aufstellung des Gremiums, in dem neben Historikern mit unterschiedlichen Schwerpunkten fortan auch Wissenschaftler anderer für die Stiftungsarbeit wertvoller Fachrichtungen vertreten sind, bezeichnete Dr. Fabritius als „angemessene Reaktion auf die konkreten Herausforderungen der bevorstehenden Arbeitsphase“.
Diese Herausforderungen, aber auch der bisherige Weg der Stiftung würden es nun erfordern, die Kommunikation und die Zusammenarbeit innerhalb des Beraterkreises, insbesondere aber zwischen den Gremien zu stärken. „Wenn alle Beteiligten ihre Aufgaben entsprechend des Stiftungsgesetzes wahrnehmen und der Aufbau der Dauerausstellung im Sinne der geltenden Stiftungskonzeption fortgesetzt wird, sehe ich das Projekt weiterhin auf gutem Weg“, so Fabritius.
Marc-P. Halatsch
Folgende Mitglieder wurden in den Wissenschaftlichen Beraterkreis berufen:
- Dr. Peter Becher, Adalbert Stifter Verein e.V., München
- Dr. Mathias Beer, Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Tübingen
- Dr. Simone Eick, Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
- Prof. Dr. Monika Fenn, Historisches Institut der Universität Potsdam, Historisches Institut, Potsdam
- Prof. Dr. Mary Fulbrook, University College London, European Institute, London, Großbritannien
- Prof. Dr. Hans-Lukas Kieser, Universität Zürich, Historisches Seminar, Zürich, Schweiz
- Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Technische Universität Chemnitz, Philosophische Fakultät, Chemnitz
- Prof. Dr. Stephan Lehnstaedt, Touro College Berlin ― Campus am Rupenhorn, Berlin
- Dr. Ondřej Matějka, Institut für Erforschung totalitärer Regime, Prag, Tschechien
- Prof. Dr. Norman Naimark, Stanford University, Department of History, Stanford, USA
- Prof. Dr. Jochen Oltmer, Universität Osnabrück, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien, Osnabrück
- Univ.-Prof. Dr. Miloš Vec, Universität Wien, Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte, Wien, Österreich