Am 19. Januar 2016 hat Ungarn auf dem „Alten Friedhof“ in Wudersch (Budaörs) erneut mit einer Gedenkveranstaltung an das Schicksal seiner deutschstämmigen Bürger erinnert, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entweder verschleppt oder aus dem Land vertrieben wurden. Nach einer Kranzniederlegung am Landesdenkmal der Vertreibung der Ungarndeutschen wurde mit einer Heiligen Messe in der Pfarrkirche St. Johannes Nepomuk der Vertriebenen gedacht.
Der Ministerpräsident Ungarns Viktor Orbán selbst hielt in diesem Jahr die Festrede und machte damit deutlich, dass Ungarn dem Schutz von Identität sowie der Ächtung von Vertreibungen und ethnischen Säuberungen einen hohen Stellenwert einräumt.
„Die offizielle Bezeichnung lautete Aussiedlung, doch dieses Wort hatte mit der Wahrheit nichts zu tun. Was Aussiedlung genannt wurde, bedeutete die Ausplünderung und die Vertreibung der ungarischen Schwaben. Sie wurden ihrer Häuser und sie wurden ihrer Heimat beraubt. … Die Ungarndeutschen können bis auf den heutigen Tag eine Kultur die ihrige nennen, deren Fäden tief in das Gewebe der ungarischen Kultur eingeflochten sind. Wenn wir diese Fäden herauszögen, so würde das gesamte Gewebe zerfallen. Die ungarische schwäbische Gemeinschaft stellt einen organischen und unveräußerlichen Bestandteil der ungarischen Kultur dar“, so Orban in seiner eindrucksvollen Rede.
Weitere hochrangige ungarische Politiker wie etwa der Präsident des Verfassungsgerichtes Dr. Barnabás Lenkovics und der Minister für Humanressourcen (zuständig für Gesundheit, Soziales, Jugend, Bildung, Kultur und Sport) Zoltán Balog, aber auch der Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen Ottó Heinek und der Fürsprecher der Deutschen in der Ungarischen Nationalversammlung Imre Ritter nahmen an der Veranstaltung teil und steigerten so deren Bedeutung als Symbol der Wertschätzung für die von Verschleppung und Vertreibung betroffenen Ungarndeutschen und deren Nachkommen sowie als weiteres sichtbares Zeichen für die fortschreitende Aufarbeitung der facettenreichen ungarischen Geschichte.
Überdies hatte Ungarn mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und deutsche Minderheiten Hartmut Koschyk MdB und dem Präsidenten des Bundes der Vertriebenen Dr. Bernd Fabritius MdB deutsche Politiker eingeladen, die sich maßgeblich für eine moderne, grenzüberschreitende europäische Volkgruppenpolitik einsetzen. Allein damit zeigt das Land, dass es der deutsch-ungarischen Verständigung sowie dem damit in Zusammenhang stehenden Einsatz für eine gemeinsame europäische Idee weiterhin verbunden bleibt.
Koschyk etwa lobte in seiner Gedenkansprache in der Pfarrkirche St. Johannes Nepomuk die Selbstverwaltung der Ungarndeutschen für ihre wichtige Brückenfunktion zwischen den Kulturen: „Mit ihren über 400 lokalen Gliederungen ist die Landesselbstverwaltung ein hervorragendes Beispiel für die gelungene Integration in das größere Ganze, ohne dass durch Assimilation die kulturellen und sprachlichen Eigenwerte aufgegeben werden“, erklärte der Bundesbeauftragte.
Dr. Fabritius hatte bereits im Vorfeld die intensiven Kontakte zwischen dem BdV und der ungarischen Regierung gewürdigt, wie z.B. zum ungarischen Justizminister Dr. László Trócsányi oder zum neuen ungarischen Botschafter in Deutschland Dr. Péter Györkös. Die gelungene Gedenkveranstaltung in Wudersch bot daher eine gute Gelegenheit, Kontakte weiter zu vertiefen bzw. neue zu knüpfen.
Die Übersetzung der Rede des Ministerpräsidenten wurde seitens der ungarischen Regierung bereitgestellt.