Jahresempfang 2019
Begrüßungsrede beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen am 9. April 2019 in Berlin
BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine Damen und Herren,
herzlich willkommen zum traditionellen Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen! Es freut mich außerordentlich, dass Sie unserer Einladung in so beeindruckender Zahl gefolgt und heute unsere Gäste sind. Unser Jahresempfang dient dem Austausch, dem besseren Kennenlernen, wenn Sie erst seit kurzem unsere Freunde sind oder sich noch auf dem Weg zu uns befinden.
Ich lade Sie ein, diese Stunden für Gespräche mit uns und miteinander zu nutzen. Sowohl das Präsidium als auch zahlreiche Vertreter aus den Bundeslandsmannschaften, den Landes- und Kreisverbänden unseres Verbandes sind heute hier, genau wie mehrere Vertreter der Heimatverbliebenen, der Deutschen in unseren alten Heimatgebieten. Sprechen Sie uns an, wir sind heute alle füreinander da.
Der Bund der Vertriebenen – das kann ich ganz ohne Zweifel feststellen, ist entschlossen zukunftsorientiert, steht dabei aber
- fest auf dem Boden der deutschen Geschichte und
- verbindet die bitteren Erfahrungen der Vergangenheit mit dem wohltuenden Gefühl von Versöhnung und konstruktivem nachbarschaftlichem Miteinander und einem offenen, zuversichtlichen Blick nach vorn.
Meine Damen und Herren, ja, wir sind stolz auf unsere Arbeit in der heutigen Gesellschaft! Unsere Arbeit umfasst weit mehr als das Engagement für die klassische Zielgruppe der deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge, der Aussiedler und Spätaussiedler.
Unsere Arbeit ist gesellschaftlich relevant, weil wir über unsere Verbände und deren Akteure in der Mitte der Vereine, der Kommunen, der Kirchengemeinden und der wohltätigen Organisationen im Sinne und im Dienste der Zivilgesellschaft wirken! Und weil wir Deutschland und Europa um einen kulturellen Teil bereichern, den es endlich als Schatz zu begreifen gilt; Er gehört zur DNA des vereinten Europa.
Es tut uns im Herzen weh, zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit gewisse Kreise in Europa - und in Deutschland - gegen unser Europa vorgehen. Ich darf es in aller Deutlichkeit sagen: Wer nicht verstanden hat, warum gerade die Heimatvertriebenen, die Aussiedler und Spätaussiedler so für Europa als übergeordnetes Friedensprojekt stehen und mit die überzeugtesten Europäer sind, der hat die Geschichte nicht verstanden, und der hat uns, die wir im Bund der Vertriebenen vereint sind, ebenfalls nicht verstanden!
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Dr. Angela Merkel, weil Sie das – und uns – schon immer verstanden haben, ist dies der passende Moment, Sie persönlich im Namen des gesamten Präsidiums des Bundes der Vertriebenen auch heute in unserer Mitte ganz herzlich willkommen zu heißen. Dass Sie sich seit Anbeginn Ihrer Kanzlerschaft mit großer Verlässlichkeit jedes Jahr die Zeit nehmen, unseren Jahresempfang zu besuchen, ehrt den Bund der Vertriebenen und ehrt auch Sie!
In unseren Reihen wird dieses Zeichen Ihrer beständigen Verbundenheit mit den deutschen Heimatvertriebenen, den Aussiedlern und Spätaussiedlern geschätzt und geachtet. Dieses Signal wirkt in der gesamten Gesellschaft und dafür danke ich Ihnen.
Meine Damen und Herren,
es ist mir ebenfalls eine Freude, den amtierenden Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, herzlich willkommen zu heißen.
Lieber Herr Bundesminister Seehofer, wir alle haben noch Ihre bemerkenswerte Festrede in Erinnerung, die Sie zum letztjährigen Tag der Heimat in Berlin gehalten haben. Die Rede klingt nach, denn Sie nehmen darin für uns Vertriebene und Spätaussiedler wichtige Differenzierungen vor und stellen einiges wieder auf die Beine, was gefühlt noch Kopf steht. Dafür danke ich und dafür danken Ihnen die deutschen Heimatvertriebenen!
Ich begrüße ganz herzlich unsere Staatsministerin für Kultur und Medien, Frau Professor Monika Grütters. Auch Sie, liebe Frau Professor Grütters, sind ein sehr gern gesehener Gast in unseren Reihen und ich freue mich schon auf unsere in wenigen Tagen beginnende gemeinsame Reise in meine erste Heimat, zu den Kirchenburgen – aber auch zu den Menschen – in Siebenbürgen. Ich heiße Sie herzlich willkommen, heute hier und am Sonntag in Siebenbürgen.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin, Ihrem Ressort fällt die Aufgabe zu, die Vertriebenenverbände bei der wichtigen Herausforderung der Kulturpflege und der Weiterentwicklung der Vertriebenenkultur zu unterstützen. Dass diese Förderung gewährleistet ist, freut uns, weil wir diesen Teil des gesamtdeutschen kulturellen Erbes in die Mitte der Gesellschaft und in die Zukunft tragen wollen – und das gerne mit Ihrer bewährten Hilfe.
Ich begrüße die erfreulich vielen anwesenden Abgeordneten aus dem Deutschen Bundestag und aus den Landesparlamenten. Stellvertretend für über 50 angemeldete Abgeordnete des Deutschen Bundestages begrüße ich den Vorsitzenden der CSU im Deutschen Bundestag, Herrn Alexander Dobrindt: willkommen, lieber Alex.
Fast 1/10 der Abgeordneten und alle Fraktionen sind unserer Einladung gefolgt. Wir wissen sehr gut: Rückhalt und Unterstützung aller in den Parlamenten vertretenen demokratischen Parteien ist für einen großen, repräsentativen und überparteilichen Verband wie den unseren selbstverständlicher Anspruch, und ja, wir brauchen Freunde! Um diese bemühen wir uns. Wir brauchen Freunde, keine Alternativen, keine Augenwischerei.
Aber eines gilt auch: Wir Vertriebene bewerten politische Zuverlässigkeit danach, ob und wie viel von dem, was an klaren Zusagen in Wahlprogrammen steht, nach der Wahl noch umgesetzt oder zumindest angestrebt wird. Darauf achten wir.
Ich sehe heute Staatssekretäre und zahlreiche Vertreter der Bundes- und Länderministerien, darunter Bevollmächtigte und Regierungsbeauftragte für unsere Anliegen. Es ist mir eine Freude, Sie begrüßen zu dürfen und sage „Auf weiterhin gute Zusammenarbeit in Bund und Ländern – und der erst gegründeten Landesbeauftragtenkonferenz“.
Ich freue mich sehr, meinen Vorgänger im Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und Nationale Minderheiten, Herrn Parlamentarischen Staatssekretär und Ministerpräsidenten a.D. Dr. Christoph Bergner unter uns begrüßen zu dürfen: Lieber Christoph, Du gehörst für immer zu unserer Gemeinschaft, herzlich willkommen.
Aus den Reihen der Landesbeauftragten für Vertriebene und Spätaussiedler heiße ich aus Niedersachsen Frau Editha Westmann, aus Hessen Frau Margarete Ziegler-Raschdorf, aus Nordrhein-Westfalen Herrn Heiko Hendriks und aus Sachsen Herrn Dr. Jens Baumann, stellvertretend für alle anderen Länderkollegen, herzlich willkommen!
Im Namen des BdV-Präsidiums begrüße ich sehr herzlich die Vorsitzenden und Vertreter unserer Mitgliedsverbände, der Landsmannschaften, BdV-Landesverbände und der außerordentlichen Mitglieder.
Besonders freue ich mich über die Vertreter der landsmannschaftlichen Jugendverbände. Ich danke Ihnen, dass Sie nach Berlin gekommen sind. Ich danke Ihnen für die Zeit und die Arbeit, die Sie für unsere Gemeinschaft aufbringen. Sie sind Vertreter der Generation, die den BdV und die Landsmannschaften in die Zukunft tragen werden.
Ich freue mich, zahlreiche Vertreter der Kirchen begrüßen zu dürfen. Stellvertretend für alle begrüße ich den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, herzlich willkommen, Exzellenz.
Im gleichen Atemzuge heiße ich alle weiteren anwesenden Vertreter des Diplomatischen Corps willkommen, darunter die Botschafter Armeniens, Chiles, Kasachstans, Kroatiens, Moldawiens, Ungarns und Weißrusslands.
Ich begrüße ganz herzlich den Präsidenten des Sejmiks, also des Landtages, der Wojewodschaft Oppeln, Herrn Rafael Bartek, ein junger Angehöriger der Deutschen in Schlesien, dem ich herzlich zu seiner Wahl gratuliere.
Aus Rumänien begrüße ich Herrn Benjamin Josza, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Das ist die gesellschaftliche und politische Vertretung aller deutschen Minderheiten im heutigen Rumänien. Bitte nehmen Sie nach Hermannstadt mit, dass wir in den schwer zu ertragenden Diffamierungskampagnen aus höchsten Regierungskreisen in Bukarest gegen die deutsche Minderheit, aber auch im Kampf gegen die Aushöhlung der Justiz in Rumänien – letztlich ein Angriff auf unser aller Europa - alles uns Mögliche tun, um Sie – unsere Landsleute - zu unterstützen.
Weiterhin begrüße ich die Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Verbänden, von Stiftungen und Museen, Gesellschaften und Opferverbänden sowie alle anwesenden Vertreter der Medien.
Meine Damen und Herren,
heute stehen – wie gesagt - gegenseitiges Kennenlernen und der Austausch im Vordergrund.
Erlauben Sie mir daher, am heutigen Nachmittag nur ein einziges Thema anzureißen, welches dem BdV und insbesondere seinen Landsmannschaften schon viel zu lange unter den Nägeln brennt: Es ist die überfällige Beseitigung der personenkreisspezifischen Benachteiligungen von Spätaussiedlern im Rentenrecht! Wir nennen es schlicht „Rentenungerechtigkeit“!
Systembedingte Altersarmut bei Spätaussiedlern ist ein drängendes Thema, wir dürfen und werden nicht tatenlos zusehen, wie die Politik das Problem zerredet und verwässert und immer wieder neue Ausreden sucht! Diese waren 1996 falsch, sie sind heute falsch und sie bleiben falsch.
Spätaussiedler sind ein Gewinn für die deutschen Rentenkassen. Die Altersstruktur in diesem Personenkreis stützt die auf einem Generationenvertrag aufbauende Solidargemeinschaft Rentenversicherung.
Ein Drittel, 33 %, der zugezogenen Spätaussiedler, sind jünger als 18 Jahre, die meisten anderen im Alter zwischen 18 und 45; sie alle arbeiten und zahlen Beiträge…
Lediglich 6,8 % der Spätaussiedler sind bei Aufnahme älter als 65. Dennoch wird diese Gruppe im Generationenvertrag seit 1996 weitgehend ausgeschlossen, da die vielen erwerbstätigen Spätaussiedler voll einzahlen, der Rentenbezug der älteren Generation allerdings um mehr als die Hälfte gekürzt wurde.
Die Arbeits- und Lebensleistung der Menschen soll wesentlicher Anknüpfungspunkt im Rentensystem sein, wohl aber nicht bei deutschen Spätaussiedlern. Schlagwörter wie „Respektrente“ – Respekt vor Arbeits-und Lebensleistung – kommen bei uns wie Hohn an, wenn wir davon weiter ausgeschlossen bleiben.
Ich danke dem Freistaat Bayern herzlich für die Initiative zur Verbesserung dieser Thematik im Bundesrat – und allen Bundesländern, die diese zum Erfolg gebracht haben. Die Herstellung sozialer Gerechtigkeit durch die Beseitigung personenkreisspezifischer Benachteiligungen ist eines der drängendsten aussiedlerpolitischen Themen. Bei den fast 5 Millionen in Deutschland aufgenommen Aussiedlern und Spätaussiedlern, hier geborene Nachkommen noch nicht mitgerechnet, ist das Thema von großer und bleibender Relevanz, dabei wäre es dank des geringen Rentneranteils im Personenkreis sicher pragmatisch lösbar. Wir haben dazu ausgewogene Vorschläge unterbreitet.
Der Bund der Vertriebenen fordert an diesem Punkt schlicht Gerechtigkeit, und dankt jedem, der uns dabei unterstützt!
Der BdV steht seit über 60 Jahren auf den Grundfesten unserer Charta der Heimatvertriebenen. Auf unserer Agenda steht
- die kodifizierte Verankerung eines weltweiten Vertreibungsverbots und damit die Sanktionierbarkeit von Vertreibungen, und ich danke den Unionsparteien in Deutschland, dass sie diese Forderung exponiert in das gemeinsame Wahlprogramm zur Europawahl aufgenommen haben.
Auf unserer Agenda stehen auch
- der stete verständigungspolitische Dialog mit den Nachbarn im Osten,
- die Sicherung des kulturellen Erbes der Heimatvertriebenen,
- das Bestreben, Wahrhaftigkeit als conditio sine qua non einer ehrlichen und empathischen Erinnerungskultur durchzusetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich denke, damit ausreichend Anknüpfungspunkte für gute und konstruktive Gespräche gesetzt zu haben, danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen – nach den nun folgenden Worten unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf die wir uns alle schon sehr freuen – einen lebhaften Gedankenaustausch.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, wir freuen uns sehr, dass Sie da sind, Sie haben das Wort.
Ansprache beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen am 9. April 2019 in Berlin
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB
Sehr geehrter Präsident, lieber Herr Fabritius,
sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,
sehr geehrte Frau Staatsministerin,
sehr geehrte Staatssekretäre,
sehr geehrter Alexander Dobrindt und liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag,
Exzellenzen – allen voran begrüße ich ganz herzlich den Nuntius –,
aber vor allem Sie alle, meine Damen und Herren,
natürlich bedanke ich mich wieder für die Einladung. Sehr gerne, lieber Herr Fabritius, bin ich wieder zu diesem traditionellen Jahresempfang gekommen, an dem ich auch relativ beständig teilnehme; und das auch immer aus tiefer Überzeugung.
Wir feiern in diesem Jahr den 70. Geburtstag der Bundesrepublik Deutschland. Politische Stabilität, wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Frieden waren und sind die wesentlichen Markenzeichen dieser 70 Jahre. Die Heimatvertriebenen haben an dieser Entwicklung einen großen Anteil. Das ist alles andere als selbstverständlich nach all dem Schrecklichen, das Sie und Ihre Vorfahren durchgemacht haben. Es bleibt unvergessen, was die Heimatvertriebenen für den Wiederaufbau Deutschlands geleistet haben. Sie haben mitgeholfen, dass Deutschland, das so viel Leid und Elend über Europa und die Welt gebracht hatte, seinen Platz als anerkannter Partner in der Staatengemeinschaft wiederfinden konnte.
Wir dürfen nicht vergessen, was wir auf dem Weg der Versöhnung und Freundschaft vor allem mit unseren europäischen Nachbarn erreicht haben. Uns verbindet heute weit mehr als ein gemeinsamer Markt. Uns verbindet zuallererst ein freiheitliches und friedliches Europa. Das sollten wir auch vor Augen haben – und ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch für die Worte des Präsidenten Fabritius –, wenn wir rund 450 Millionen Europäerinnen und Europäer in wenigen Wochen unser neues Europaparlament wählen.
Europa ist heute, 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, ein weltweit einzigartiger Raum des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstands. Das war beileibe nicht immer so. Gerade Ihre Familiengeschichten erzählen von Leid und Entbehrung zu einer Zeit, in der eine europäische Einigung reine Utopie zu sein schien. Sie erzählen von der Flucht unter Lebensgefahr zum Beispiel über das zugefrorene Haff, vom Leben in den Flüchtlingsbaracken, vom völligen Neuanfang fern der Heimat und vor allem von den vielen Menschen, die ihr Leben verloren haben.
Europa als Friedensgemeinschaft – das war und ist die Antwort auf Krieg und all seine schrecklichen Folgeerscheinungen. Wer könnte besser als Sie, die Heimatvertriebenen, davon erzählen, was wir an Europa haben? Und zwar nicht abstrakt, sondern – viele, die heute hier sind, können das ja auch – mit Blick auf Ihre Familienschicksale und auch auf die Arbeit heute außerhalb der deutschen Grenzen. Gerade Sie können jenen, die an Europa zweifeln und sich lieber ins Nationale zurückziehen wollen, glaubhaft vermitteln, was Europa bedeutet und bedeuten kann. Gerade Sie wissen, wie wichtig es ist, Erinnerung zu pflegen, um im Bewusstsein der Vergangenheit eine gemeinsame Zukunft zu gestalten.
Das bedeutet – und ich weiß, dass Sie dazu bereit sind –, den Weg der Versöhnung weiterzugehen. Ich weiß, dass sich das so leicht sagt, dass es aber nicht ganz so leicht ist, das zu tun. Wer an die Verluste und Schmerzen der Menschen – gleich welcher Nationalität – denkt, der weiß, dass der Versöhnungsprozess nach all dem, was in Europa vor über 70 Jahren geschah und was uns noch heute prägt, alles andere als einfach war.
Umso wichtiger ist es – und das tun Sie; auch der heutige Abend ist ja ein Beispiel dafür –, immer wieder das Gespräch zu suchen. Dialog – genau dafür steht der Bund der Vertriebenen. Er schlägt immer wieder Brücken in die Zukunft. Er setzt sich unter Einbeziehung historischer Erfahrungen für Versöhnung ein – oder, wie es in Ihrem aktuellen Jahresleitwort heißt, für „Menschenrechte und Verständigung - für Frieden in Europa“.
Aus dem Schicksal der Vertriebenen und aus ihrem Selbstverständnis als Brückenbauer in Europa erwächst ohne jeden Zweifel auch politische Verantwortung. Die Bundesregierung nimmt diese Verantwortung sehr ernst – Sie haben das eben deutlich gemacht: sowohl das Bundesministerium des Innern als auch die Staatsministerin für Kultur. Als Beispiel nenne ich nur die im Bundesvertriebenengesetz festgelegte Aufgabe, das Kulturerbe zu erforschen und zu bewahren. Das Konzept ist weiterentwickelt worden. Wir erschließen uns immer wieder neue Perspektiven. Deutlich macht dies die grenzüberschreitende Arbeit mehrerer Forschungseinrichtungen und Landesmuseen, die der Bund gemeinsam mit den Ländern und weiteren Partnern fördert. Dafür sind in unserem Budget in diesem Jahr 23 Millionen Euro vorgesehen.
Das kulturelle Erbe der Deutschen im östlichen Europa ist durch Wechselwirkungen mit Kulturen anderer Völker Teil einer europäischen Beziehungsgeschichte. Diese vielfältige Geschichte zu vermitteln, hilft, das Bewusstsein für die gemeinsamen Wurzeln, die wir in Europa haben, zu schärfen und so die Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn zu festigen. Das ist eine fortwährende Aufgabe. Ich freue mich, dass auch auf der bevorstehenden Reise der Staatsministerin für Kultur und Medien nach Rumänien das Thema Vertreibung eine Rolle spielen wird und der Blick von der Gegenwart sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft gewandt wird.
In diesem Sinne wirkt auch die Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Auch die Stiftungsarbeit wurde konzeptionell und inhaltlich weiterentwickelt – auch ein permanenter Weg, der aber, wie ich mich gerade eben wieder erkundigt habe, doch erfolgreich gegangen wird. Für die Eröffnung des Dokumentationszentrums sind natürlich die Fertigstellung und Übergabe des Gebäudes von Bedeutung. Ich habe mich gerade einmal erkundigt – bei den Bautempi sind wir ja sozusagen nicht immer weltmeisterverdächtig –: Laut baubegleitender Behörde könnte es im Februar 2020 so weit sein. Dann kann die Stiftung als deutschlandweit einzigartiger, gesamteuropäisch verankerter und international sichtbarer Lern- und Erinnerungsort endlich seiner Bestimmung zugeführt werden. Ich habe mich an diesen Diskussionen sehr intensiv beteiligt. Es würde mich unendlich freuen, wenn wir endlich einmal einfach die Türen öffnen und Menschen hineinbringen könnten.
Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Vergangenheit Verantwortung für Gegenwart und Zukunft zu übernehmen, kann ganz unterschiedliche Ausprägungen haben. Dazu gehört etwa auch – und darauf bezog sich ja ein breiter Teil der Ansprache des Präsidenten –, eine angemessene soziale Absicherung im Alter für Spätaussiedler zu gewährleisten. Sie haben uns noch einmal deutlich gemacht, Herr Fabritius, dass Ihnen dieses Thema ein besonderes Anliegen ist. Es ist ein Anliegen, das die Bundesregierung mit Ihnen teilt.
Wir haben Anfang 2019 ja das „Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung“ in Kraft gesetzt. Von den Regelungen etwa zur Rentenniveausicherung, zu den Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten profitieren auch die Spätaussiedler. Dennoch habe ich Ihren Punkt verstanden; und auch Ihre Zahlenangaben waren nicht ohne jede logische Relevanz, würde ich einmal sagen, was den demografischen Aufbau der Gruppe der Spätaussiedler anbelangt. Ich werde mir das daher noch einmal sehr genau anschauen.
Wir haben uns außerdem vorgenommen, für Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess einen Ausgleich durch eine Fondslösung zu schaffen. Auch hierbei wollen wir Spätaussiedler mit einbeziehen. Ich hoffe, dass die Koalition hierzu eine vernünftige Lösung finden wird. Aber ich habe schon verstanden: Mit all dem kann ich Sie noch nicht beruhigen. Wir müssen also weiterarbeiten.
Meine Damen und Herren, es gibt viele Anknüpfungspunkte für die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem Bund der Vertriebenen. Das Spektrum reicht von einer umfassenden Pflege der Erinnerungskultur bis hin zu gesetzlicher Detailarbeit. Deshalb freue ich mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit.
Ich möchte aber vor allen Dingen auch danke sagen: danke Ihnen allen, die Sie – jeder und jede Einzelne hier – Ihren Beitrag dazu leisten, dass das, was wir tun können – finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, Museen bauen, soziale Gesetze machen –, mit Leben erfüllt wird. Denn das können wir ja nicht so einfach. Wir können die Rahmenbedingungen setzen, aber sie müssen dann auch genutzt werden. Das ist oft eine sehr aufwändige Arbeit im wahrsten Sinn des Wortes. Lange Reisezeiten auf sich zu nehmen, sich immer wieder auch auf andere Befindlichkeiten einzustellen, immer wieder auf veränderte politische Situationen zu reagieren – ob in Polen, in Rumänien oder anderswo –, den deutschen Minderheiten außerhalb Deutschlands Mut zu machen und sie bei der Stange zu halten, die nächste Generation mit einzubeziehen – all das ist Arbeit, die nur durch einen Verband wie Ihren überhaupt geleistet werden kann.
Da wir ja alle wissen, dass im 21. Jahrhundert die Zeit ein immer wertvolleres Gut wird – wer gibt für wen Zeit? –, möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie Zeit für unsere gemeinsame Geschichte, für unser gemeinsames Land geben und dass Sie – nicht nur die, die vor Ihnen gearbeitet haben – damit auch weiter zum Zusammenhalt in unserem Land und zur erfolgreichen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beitragen. Danke dafür im Namen der ganzen Bundesregierung.